Der stille Schrei der Toten
Webseiten und war verdammt gut darin. Was den Computer anging, war er eigentlich ein Genie.
»Wie hast du von dem Mord erfahren?«
»Dottie weiß es von Suze, und heute Morgen kam es auch im Polizeifunk.« Diese Jacqee. Was für eine Plaudertasche!
»Wirklich furchtbar und allem Anschein nach ist Nicholas Black der Hauptverdächtige.«
Harve atmete hörbar aus, aber in seinen Augen zeigte sich das alte Feuer. Niemand ermittelte mit mehr Begeisterung in Mordfällen als er, und seine Erfolgsquote konnte sich noch heute sehen lassen. Im Police Department von L.A. war er mein Mentor gewesen.
Ich vertraute ihm bedenkenlos, und er war der Einzige von meinen Freunden, vor dem ich keine Geheimnisse hatte.
»Wer ist denn das Opfer?«
»Sagt dir der Name Sylvie Border was? Seifenopernstar?«
»Ach du meine Güte«, rief Dottie aus der Küche. Sie hielt eine riesige ofenheiße Auflaufform mit Lasagne in den Händen. Sie trug gelbe Ofenhandschuhe mit roten Grinsegesichtern, wobei die Handschuhe farblich zum T-Shirt passten. Das sagte ziemlich viel über Dot aus. »Das ist doch Amelia aus A Place in Time! Wie kann so ein guter Mensch ermordet werden?«
Harve zuckte verlegen mit den Schultern. »Dottie und ich schauen diese Serie. Sie läuft, wenn wir draußen auf der Veranda zu Abend essen.«
»Jeder scheint diese Serie zu kennen. Bei dem Täter handelt es sich um einen Irren, Harve. Wir müssen ihn schnellstmöglich schnappen.« Während ich knapp Bericht erstattete, sank Dottie auf einen Stuhl, in den Händen hielt sie noch immer die Form mit der Lasagne. Ihre blauen Augen waren vor Schock geweitet.
»Oh, mein Gott.« Sie atmete schwer und sah aus, als würde ihr gleich schlecht werden.
Ich sagte: »Tut mir leid. Ich hätte besser bis nach dem Essen warten sollen.«
Harve sagte: »Schon okay. Hältst du Black wirklich für so pervers? Ich würde ihn nicht so einschätzen.«
Ich zuckte mit den Schultern. »Wird sich zeigen. Angeblich war er ja im Flieger unterwegs nach New York, als der Mord passiert ist. Morgen früh will ich ihn mir als Erstes mal vorknöpfen. Hättest du Lust, schnell einen Bericht über Black zusammenzustellen?«
Harve nutzte sein immenses Computerwissen nicht nur zum Erstellen von Webseiten, sondern auch dafür, flüchtige Personen für private Auftraggeber oder die Strafverfolgungsbehörden ausfindig zu machen. Er stellte Dossiers über jede x-beliebige Person zusammen und verdiente damit doppelt so viel Geld wie als Lieutenant Detective in L. A.
»Eine recht große Datei über Black hab ich bereits. Sie stammt aus der Zeit, als er hier das ganze Land aufgekauft und diesen Riesenwirbel verursacht hat. Wir können ja nach dem Abendessen mal einen Blick reinwerfen. Aber eins kann ich dir jetzt schon sagen. Er hat über die Psychiatrie hinaus jede Menge weiterer Interessen. Er ist ein richtiger Immobilienmogul. Besonders Hotels haben es ihm angetan. Er kauft ganze Urlaubsresorts auf und zockt richtig ab, indem er Kliniken für seine First-Class-Patienten reinsetzt.«
»Ich will alles über ihn wissen bis zu dem Treffen morgen früh, einschließlich der bevorzugten Farbe seiner Socken.«
»Verlass dich ruhig auf mich, meine Liebe.«
Mit einem Messer säbelte ich dicke Scheiben von einem knusprigen, noch lauwarmen Laib Toskanabrot ab. Mir lief das Wasser im Mund zusammen, als Dottie endlich das Vorlegebesteck nahm und die Lasagne in gleich große Stücke zerteilte.
Ich trank einen Schluck von meinem Eistee, als Harve mir meinen Teller reichte. »Black ist heute Abend bei Larry King Live zu Gast. Wie wär’s, wenn wir uns das angucken und ihr mir sagt, welchen Eindruck ihr von ihm habt?«
»Lass dir eines gesagt sein, Claire. Er sieht irre gut aus«, sagte Dottie, während sie eine Riesenportion Lasagne auf Harves Teller häufte. Ihrer Meinung nach sollte er zunehmen. »Ich bin ihm mal begegnet. Hab ich das je erwähnt?«
»Du hast ihn persönlich kennengelernt?« Ich nahm eine Scheibe Brot und reichte den Teller an Harve weiter.
»Sag ich doch. In Kansas bei einer Signierstunde bei Barnes & Nobel im Plaza Country Club. Er hat echt hellblaue Augen. Fast wie Eis möchte man meinen, aber dann glaubst du, der Blick brennt sich in dich ein, wirklich sehr intensiv. Er sagte ›Für wen ist das Buch?‹, und wisst ihr was, ein paar Sekunden lang konnte ich mich nicht einmal an meinen eigenen Namen erinnern. Ich kam mir so was von blöd vor, wie eine verliebte Teenie-Göre.« Sie schüttelte den
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