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Der stille Schrei der Toten

Der stille Schrei der Toten

Titel: Der stille Schrei der Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Ladd
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des Hauses. Der Raum erstrahlte in Narzissengelb. Dottie war ein großer Fan der Farbe Gelb, sie verteilte die verschiedenen Töne ausgiebig in ihrer Umgebung: buttergelb, kanariengelb, sonnengelb, Hauptsache gelb. Musste mit ihrem sonnigen Gemüt zusammenhängen. Harves Technikverliebtheit zeigte sich in dem 50-Zoll-Plasmagiganten von Fernseher, flankiert nicht nur von Lautsprechern, sondern von jedwedem elektronischem Schnickschnack, den man sich nur vorstellen konnte. Black war offenbar nicht der einzige Freund von Spielzeug.
    Ich besaß ein 12-Zoll-Minimodell, das noch nicht mal über einen Kabelanschluss verfügte, aber es war immerhin ein Farbfernseher. Dennoch erlitt ich fast einen Kulturschock, als ich auf den Bildschirm von der Größe meines Wohnzimmerfensters starrte. Als Black im Bild erschien, reagierte ich auf eine Art und Weise, die mir nicht gefiel. Er sah viel zu gut aus. Ich betrachtete ihn unter dem Blickwinkel professioneller Objektivität, als Verdächtigen in einem Mordfall anstatt als Mann, wobei ich zu ergründen versuchte, was genau diese Reaktion bei Frauen auslöste. Er wirkte geradezu gefährlich sinnlich. Diese Augen glühten viel zu intensiv angesichts des entspannten, selbstbewussten Verhaltens, das er sonst an den Tag legte.
    Larry King begann das Gespräch sofort mit der Frage nach seinem neuen Buch. Black hatte ein entspanntes Verhältnis zur Kamera – weltläufig, redegewandt und mit einem kaum hörbaren Akzent, den ich aber nicht genau zuordnen konnte. Kansas City war es ganz sicher nicht.
    »Weiß er schon von dem Mord?« Harve stellte eine Toilettenpapierreklame mit kleinen, in Viererpackungen verschwindenden Männchen auf stumm.
    »Miki Tudor, seine Assistentin hier vor Ort, sagt, sie hätte ihn informiert. Aber mir fällt auf, dass er sich so gut wie nichts von seinem Schmerz anmerken lässt.«
    Dottie brachte auf einem Tablett Kaffee und Käsekuchen mit Kirschen. Mein Magen signalisierte Zustimmung. Sie sagte: »Ich frage mich, warum er so gelassen bleibt und warum er den Auftritt nicht gleich ganz abgesagt hat? Sie war schließlich seine Patientin.«
    Ich nahm einen Schluck Kaffee. Koffeinfrei. Igitt. »Stimmt. Sollte es ihm dennoch etwas ausmachen, versteckt er seine Gefühle ziemlich gut. Ich frag mich ja, was er sonst noch alles versteckt.«
    »Du wirst ihn eh bald in die Zange nehmen. Mir tut der Typ fast leid.« Harve schenkte Dottie ein Lächeln, als sie ihm Kaffee eingoss. »Warum zeichnest du das Gespräch nicht auf und führst mir danach vor, was du mit ihm machst?«
    »Ich wette, er schüttet dich mit seinem Psychogeschwätz zu bis oben hin, um dich abzuwimmeln«, sagte Dottie, während sie schließlich selbst vor ihrem Kaffee und einem Stück Käsekuchen Platz nahm. »Falls du überhaupt noch weißt, wo dir der Kopf steht, wenn er dich mit diesem Killerblick ansieht.«
    Harve lachte. »Interessanter Wortgebrauch, Dot.«
    »Aber ich bin ja nun gewappnet, dank Harves Dossier. Vielleicht bitte ich ihn ja um eine Einschätzung des Killers aus der Sicht des Psychiaters.«
    »Gute Idee«, sagte Harve. »Ich habe gar nicht erwähnt, dass er das FBI in einem Fall einmal beraten hat. Manchmal tritt er auch als Gutachter vor Gericht auf. Du wirst das heute Abend alles lesen.«
    »Ich habe heute eine sehr traurige Nachricht erhalten«, sagte Black im Fernsehen, womit unsere Aufmerksamkeit wieder der Glotze galt. »Eine schreckliche, schockierende Nachricht.«
    Ich spürte die aufsteigende Spannung in mir, während Larry King sich gierig die Lippen leckte, hocherfreut darüber, dass die schreckliche, schockierende Nachricht in seiner Show live über den Äther ging. Quoten, Quoten, ein Königreich für Quoten.
    »Ich hoffe bloß, er sagt nichts über …« Ich unterbrach mitten im Satz, als Black weitersprach.
    »Die wunderbare junge Schauspielerin Sylvie Border, eine sehr gute Freundin von uns beiden, Larry, kam letzte Nacht in meinem Urlaubsresort in Missouri ums Leben.«
    King wirkte so verblüfft, wie ich es war. »Was, zum Teufel, denkt sich der eigentlich dabei?« Ich sprang auf. »Das bedeutet, dass hier demnächst die Hölle los sein wird.«
    »Oh mein Gott. Sylvie war vor nicht einmal einem Monat hier in der Show.« King linste an der Kamera vorbei, möglicherweise zu seinem Produzenten. »Ich kann es nicht fassen. Sie war so jung … wie …«
    Black sah nun aus wie das Leiden Christi. »Es ist eine schlimme Tragödie, und ich kann noch kaum glauben, dass es wahr

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