Der stille Schrei der Toten
ein Risiko eingehen.
Ich sagte: »Keine Spur von seinem Auto. Vielleicht ist er nicht da.«
Bud schlich sich an dichten Forsythiensträuchern vorbei nach hinten. Ich holte tief Luft und bewegte mich zwischen Müll und sonstigem Unrat hindurch in Richtung Vordereingang. Unter meinen Fußsohlen knackte und knirschte es von Hunderten trockener Eichelschalen. Ich hoffte, die überall herumliegenden Bierflaschen bedeuteten kein schlechtes Vorzeichen für diese Aktion. Alles wirkte unnatürlich still, als hielte die Natur den Atem an, um zu sehen, ob wir Inman überraschen konnten. Selbst die Vögel hielten ihren Schnabel; wahrscheinlich waren sie verärgert über Buds plumpen Durchbruch nach hinten. Mein sechster Sinn, der mich noch nie im Stich gelassen hatte, meldete sich, und ich zog meine Glock und hielt sie der Länge nach an meinem rechten Oberschenkel. Ich betrat die kleine Veranda und stellte mich neben die Tür.
»Aufmachen, Polizei.«
Mit der Faust trommelte ich gegen die Fliegengittertür aus Aluminium. Sie klapperte wie verrückt, aber es drang kein Lebenszeichen nach außen. Ich nahm meine Waffe fester in die Hand. »Öffnen Sie, Inman, wenn Sie zu Hause sind. Machen Sie es sich nicht noch schwerer.«
Keine Antwort. Vorsichtig öffnete ich die Fliegengittertür und stellte fest, dass die Innentür angelehnt war. Ich stieß sie mit der Fußspitze auf. Mir schlug eine Mischung aus Zigarettenrauch und abgestandenem Körpergeruch entgegen. Immer näher rückte Inmans hässliche Behausung in mein Blickfeld. Ein zerschlissener brauner umgeworfener Sessel. Zerbrochenes Geschirr auf dem schmutzigen grünen Wollteppich. Eine Frau lag auf dem Rücken, die Arme seitlich ausgestreckt und das Gesicht voller Blut. Neben ihrem Kopf entdeckte ich eine zerschmetterte Budweiserflasche.
Ich versicherte mich, dass niemand hinter der Tür stand, und bewegte mich mit dem Rücken flach zur Wand hinein. Die Waffe einsatzbereit und die Nerven gespannt bis zum Äußersten, ließ ich meine Blicke schweifen. Die Küche, ein einziges Chaos, war leer. Das auf den fettschmierigen weißen Schränken verspritzte Blut sah aus wie drei ineinander verschränkte rote Nelken. Er musste sie in der Küche geschlagen und dann ins Wohnzimmer geschleppt haben.
Ich versuchte festzustellen, ob die Frau noch atmete und trat näher an sie heran. Dann stürzte Inman aus dem Flur so schnell auf mich zu, dass ich ihm nicht ausweichen konnte. Ich duckte mich nach rechts weg, spürte aber einen harten Schlag gegen meine rechte Wange, sodass ich nach hinten stürzte. Ich knallte heftig gegen die Wand und glitt nach unten, hatte aber meine Waffe weiter fest im Griff. Der Riese Inman griff mich erneut an, packte meinen Arm mit der Waffe und stieß mich zurück gegen die Wand.
»Du bringst mich nicht noch einmal in den Knast, du Schlampe.« Sein Atem stank nach Fusel und Zigaretten und noch etwas anderem, von dem ich lieber nicht wissen wollte, was es war. Er riss an meinem Handgelenk und drückte so lange zu, bis meine tauben Finger die Glock freigaben.
Ich zerkratzte ihm die Hände, als er mich an den Füßen über den Fußboden zerrte, schließlich gelang es mir aber, mein Knie zwischen seinen Beinen nach oben zu stoßen, so fest ich nur konnte. Er schrie auf vor Schmerz und ließ mich los. Ich stieg mit voller Wucht auf seinen Fuß und rammte meine Faust gegen seinen Adamsapfel. Ich spürte, wie der Knorpel nachgab, und schon im nächsten Moment ging Inman zu Boden, hielt sich die Hand an die Kehle und stieß gurgelnde Laute aus. Bud hatte inzwischen hinten die Tür eingetreten und stürzte sich auf ihn, riss ihn herum und stieß ihm ein Knie in den Rücken, während er seine Arme nach hinten zog und ihm Handschellen anlegte.
»Lieber Himmel, Claire. Ich habe dir doch gesagt, du sollst bloß nicht ohne mich da reingehen. Alles in Ordnung mit dir?«
Er sah in mein Gesicht, und ich führte die Hand an mein rechtes Auge. Es war geschwollen und tat verdammt weh. Ich hatte auch Blut an meinen Fingern, aber nicht viel.
»Der Bastard hat mich überrumpelt«, sagte ich, während ich auf einem Knie neben Inmans verletzter Frau zu Boden ging. Ihr Atem ging flach, und die tiefe Platzwunde an ihrem Kopf blutete. Puls war vorhanden, aber kaum merklich. Ich nahm ein Geschirrtuch von der Kommode und drückte es gegen die Wunde.
Bud kniete sich neben mich. »Bist du sicher, dass du okay bist, Claire?«
»Ja, aber ihr geht es nicht sonderlich gut.«
»Aber sie
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