Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der stille Schrei der Toten

Der stille Schrei der Toten

Titel: Der stille Schrei der Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Ladd
Vom Netzwerk:
eine Gelegenheit, die Familie anzusprechen. Für die Angehörigen und die Sargträger standen rund um die gigantische Familiengruft der Montenegros Stühle bereit, und schon begann sich die Schlange der Trauergäste, die ihr Beileid bekunden wollten, zu formieren. Als ich Sylvies Eltern langsam näher kam, wurde Nicholas Black auf mich aufmerksam und versuchte, mich abzudrängen. Offenbar befürchtete er, ich könnte den trauernden Hinterbliebenen zu nahe treten. Immerhin war ich dieser gefühllose Trampel, den er nicht sonderlich mochte.
    »Jacques, Gloria, das ist Claire Morgan. Sie ist Detective und für die Aufklärung des Falls zuständig«, sagte er leise und pietätvoll, anstatt mich zu vertreiben. Dann fügte er noch etwas in für meine Ohren astreinem Französisch hinzu, was ich natürlich nicht verstand, und worüber ich mich natürlich maßlos ärgerte. Was auch immer es war, es weckte ihr Interesse. »Haben Sie das Ungeheuer schon gefunden, das meiner Kleinen das angetan hat?«, fragte Jacques Montenegro, dessen Augen vom vielen Weinen und aus Schlafmangel rotgerändert waren.
    Er war ein groß gewachsener, eleganter schlanker Mann.
    Irgendwie zart. Er sah aus wie ein Franzose.
    »Noch nicht, Sir, aber wir kriegen ihn. Mein Beileid.«
    »Danke.«
    Sylvies Mutter war eine hübsche kleine Frau mit graumelierten, ehemals blonden Haaren und dunklen Augen. Sie sagte nicht ein Wort und sah mich auch nicht an, wischte sich nur immer wieder mit einem weißen, rosenbestickten Taschentuch die Tränen ab. Ich wollte gerade fragen, ob ich später vorbeikommen könnte, aber Jacques kam mir zuvor. Er bedeutete mir, mich zu ihm herunterzubeugen.
    »Ich hätte ein paar Fragen an Sie, wenn Sie gestatten«, sagte er leise. Dass mir ein Mafioso etwas ins Ohr flüsterte, hatte ich auch noch nicht erlebt. »Bitte kommen Sie zu mir nach Hause, wenn das hier vorbei ist. Dann können wir uns unterhalten.« Sein Cajun-Akzent war weniger deutlich ausgeprägt als bei meinen Agentenfreunden. Er klang insgesamt gebildeter.
    »Gerne, Sir, vielen Dank«, sagte ich und kam zu dem Schluss, dass sich die Dinge gut entwickelten.
    Black fasste mich am Arm und führte mich von der Familie weg, als würde er mich besitzen. Allmählich wurde das zu einer ärgerlichen Gewohnheit bei ihm. Seine Stimme war weiterhin gedämpft und gefasst. »Warum haben Sie mir nichts davon gesagt, dass Sie hierher kommen?«
    »Wie bitte? Seit wann muss ich mich mit Ihnen darüber abstimmen, wie ich meinen Job mache?« Ich versuchte, meinen Ellbogen zu befreien, aber er ließ nicht los, sondern hielt mich weiterhin fest, sanft, aber entschieden. Ich war drauf und dran, ihn zur Rede zu stellen, aber das hätte eine Riesenszene verursacht, und die wollte ich mir für später aufsparen.
    »Ich bin mit meinem Privatjet hier und hätte Sie mitnehmen können.«
    »Wie freundlich von Ihnen, Dr. Black. Meinen Sie, Sie hätten mich dadurch unter Kontrolle?«
    »Könnten Sie vielleicht hier gut gebrauchen.«
    »Sie kennen mich nicht besonders gut, denn sonst würden Sie wissen, dass ich sehr gut auf mich selbst aufpassen kann.«
    Black warf einen ausgiebigen, bedeutungsvollen Blick auf mein blaues Auge, um dann mein Outfit ins Visier zu nehmen. »Woher haben Sie denn diese Nonnenkluft? Von der Heilsarmee?«
    Ich sagte: »Ha, ha, ha! Ich lach mich tot!« Meine Wortwahl war wohl etwas unglücklich.
    Black sagte: »Ich würde Ihnen keinesfalls raten, die Waffe unter Ihrem Blazer zu ziehen.«
    »Oh, Mist! Wo ich doch liebend gern auf Beerdigungen herumballere.«
    Black fand das gar nicht lustig. Zu dumm aber auch. »Wenn Sie möchten, nehme ich Sie zu den Montenegros mit.«
    »Ich dachte, Ihre Beziehung zu Sylvies Familie wäre nicht so eng?«
    »Wer sagt denn, dass sie eng wäre? Jacques möchte lediglich mit mir sprechen, so wie er mit Ihnen sprechen will. Ich bleibe sowieso nicht lang. Da können Sie ebenso gut mitkommen.« Ich wollte gerade sagen, ich hätte schon eine Fahrgelegenheit, danke, als er hinzufügte: »Gil und seine Freunde fahren auch bei mir mit.«
    »Warum nicht?«, sagte ich lächelnd und über die Maßen freundlich.
    Gil Serna flennte während der ganzen Fahrt zum Herrenhaus der Montenegros ununterbrochen, sodass ich keine Chance hatte, ihm eine Frage zu stellen, obschon Black uns beim Verlassen der Kirche miteinander bekannt gemacht hatte. Ich saß gegenüber von Gils blonder gut aussehender Agentin namens Mathias Grobe – ja, sie hieß tatsächlich so

Weitere Kostenlose Bücher