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Der stille Schrei der Toten

Der stille Schrei der Toten

Titel: Der stille Schrei der Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Ladd
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–, die ihm permanent das Knie tätschelte und kleine Nettigkeiten vor sich hinmurmelte, die ich nicht verstand. Der bullige Glatzkopf und Leibwächter hieß Jimmy Smith, ganz einfach, man stelle sich das mal vor, und ich war mir nicht sicher, ob er in Anbetracht des leeren, starrenden Blicks aus seinen kleinen schwarzen Schielaugen überhaupt etwas in der Birne hatte. Jimmy, der Hohlkopf, kam mir in den Sinn. Ich weiß, ich bin fies. Entschuldigung.
    Nicholas Black saß neben mir, und ich gab mir Mühe, nicht ständig daran zu denken, wie gut er doch aussah. Ärgerlich, dass mir seine Hände auffielen, wie die Kontur seiner gebräunten Finger auf einem seiner überkreuzten Beine spitz zulief. Er war nahe genug, dass ich die dezent-neutrale Note seines Duftwassers registrierte. Die Marke erkannte ich nicht, aber ich steh sowieso nicht auf teure Düfte. Ich geb’s ja zu. Er gefällt mir. Ich bin auch nur eine Frau, und ich spürte seine Wirkung auf mich. Was war schon dabei? Nur konnte ich mich halt auf nichts einlassen, nicht so lange er als Verdächtiger galt. Nicht einmal, wenn er nicht verdächtig wäre. Hände weg, sagte ich mir. Der Mann war tabu für mich. Absolut. Und obwohl ich, was Männer betraf und das ganze Trallala drumherum, ziemlich aus der Übung war, spürte ich doch, dass ich ihm auch gefiel. So eingerostet war ich also doch nicht. Oder vielleicht überlegte er einfach nur, wie er mich am besten um die Ecke bringen könnte.
    »Mr Serna«, sagte ich schließlich, da ich ja nun doch einmal damit anfangen musste, und nun, da seine Tränen nachgelassen hatten, war die beste Gelegenheit dazu. »Ich werde Ihnen wohl oder übel ein paar Fragen stellen müssen. Im Moment ist es sicher schlecht, da Sie sehr durcheinander sind, aber ich muss noch heute Abend zurück nach Missouri. Könnte ich Sie vielleicht später kurz sprechen, wenn wir angekommen sind und Sie sich ein wenig gefangen haben?«
    Mathias sah aus, als würde sie mir meinen kühnen Vorstoß verübeln, während Jimmy die Glatze gänzlich abwesend schien. Dann sah er mich an, und ich fand meinen Eindruck bestätigt. Gil war wie aufgelöst, aber er nickte, wandte sich dann ab und starrte aus dem Fenster. Gut möglich, dass er schauspielerte, dass er eine Oscar-verdächtige Show abzog, aber ich glaube, sein Kummer war echt. Es ist schwer, so lange zu weinen, selbst dann, wenn die Tränen echt sind. Glauben Sie mir. Ich weiß das. Andererseits könnte er deshalb weinen, weil er seiner Freundin den Kopf abgeschnitten hatte und dies nun bedauerte.
    Das Anwesen der Montenegros war eine echte Sehenswürdigkeit. Es lag direkt am Mississippi und wirkte eher wie eine Festung, hatte aber auch diesen typischen »Vom Winde ver-weht«-Look. Es sah tatsächlich aus wie ein Herrenhaus aus guten alten Südstaatenzeiten. Nur die hohe Betonmauer um das Grundstück störte etwas. Auf dem mindestens achtzigtausend Quadratmeter großen Anwesen standen riesige Eichen, an deren Ästen langfädiges graues Louisianamoos baumelte. Am Eingang wurden wir von Wachen aufgehalten, die das Innere unseres Autos und den Kofferraum kontrollierten und uns dann durch das eiserne Tor hindurchwinkten. Ich hätte wetten können, dass es so etwas nicht einmal bei Madonna gab. Allerhöchstens vielleicht früher bei Michael Jackson.
    Das Haus verfügte über die obligatorischen weißen Säulen, und zwar ringsherum, an allen vier Seiten. Im Erdgeschoss wie auch im Obergeschoss gab es lange, verglaste Veranden. Vor dem Eingang prangte ein riesiger Magnolienbaum mit weißen, wächsernen Blüten, deren Duft mir sofort nach dem Aussteigen in die Nase stieg, aber noch stärker war der Duft von Rosen in der heißen stehenden Luft. Beinahe hätte ich einen Hitzschlag in meinem schwarzen Blazer bekommen, aber ich widerstand dem Drang, mir mit meiner Glock Automatik Frischluft zuzufächeln.
    Wir wurden in eine großzügige Vorhalle geführt, die sich über die gesamte Länge des Hauses erstreckte. Die Klimaanlage ließ mich aufatmen, fast als hätte ich einen lange verloren geglaubten Freund wiedergefunden. Durch die rückwärtige Tür fiel mein Blick auf eine ausgedehnte Rasenfläche, die sich bis zum Fluss erstreckte. Gerade kam ein Boot vorbei, dessen Aufbauten ich über den Schutzdeich hinweg sehen konnte. Prostitution und der Handel mit Drogen waren offenbar lohnende Geschäfte in New Orleans.
    Im Haus wimmelte es von schwarz gekleideten Leuten, die ehrfurchtsvoll flüsterten und sich auch

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