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Der stille Schrei

Der stille Schrei

Titel: Der stille Schrei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leon Specht
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Mal das richtige Gefühl des Flows. Wie schön!
    Ich lenkte meine Schritte heimwärts und stellte an der Haustür beim Stoppen der Pulsuhr überrascht fest, dass ich über 80 Minuten unterwegs gewesen und eine Strecke von 14 Kilometern gelaufen war! Später beim Übertragen der Werte in das Computerprogramm erfreute ich mich an einer ziemlich geraden Pulskurve und genauso sehr an den 793 verbrauchten Kilokalorien!
    Das Frühstück war auch ausgefallen, und Hunger verspürte ich jetzt überhaupt nicht. Juchhu! Betreff Frühstück: Ich warf einen Blick in das Esszimmer. Alles aufgegessen, aber natürlich nicht aufgeräumt. Das war doch klar. Auch mein Zettel lag unberührt da. Keine Notiz von ihm. Ich wertete das als ein gutes Zeichen: Mein Konzept war aufgegangen.
    Jetzt ab in die Dusche und den Tag weiter so genießen!

LANDRAT
    Mein nächster Termin mit Tim stand bevor. Ich war heute einige Minuten zu früh und wartete ein paar Meter vom Eingang entfernt, auf einer Parkbank in der warmen Sonne sitzend. Wenige Minuten vor 10 Uhr kam eine Person aus der Tür, die unserem Landrat Pipa total ähnlich sah. Hätte er einen Anzug getragen und nicht diese Sportbekleidung, wäre ich jede Wette eingegangen, dass er es war. Ich hatte ihm noch nicht die Hand geschüttelt, ihn aber schon einige Male bei öffentlichen Veranstaltungen, bei denen sich mein Mann immer gern aufhielt, gesehen. Während Karl dies als politisches Beziehungsmanagement bezeichnete, hielt ich mich lieber im Hintergrund und musste mich in seinem Auftrag um das Damenprogramm kümmern, wie er es abfällig nannte.
    Noch immer voller Stolz und Freude über meinen 14-Kilometer-Lauf sprudelte ich sofort darauf los.
    „Tim, ich bin 14 Kilometer gelaufen.“ Das Hi oder Hallo vergaß ich völlig.
    Er spürte meine Begeisterung, kein Wunder.
    „Hey, great, dear Claudia.“ Er hatte es sich angewöhnt, mich nur noch mit diesem Namen anzusprechen. „Erzähl!“
    „Also ich lief einfach los. Es war ein schöner Morgen. 6.30 Uhr. Tolles Licht. Und nach 20 Minuten hatte ich das Gefühl, in einem Flow zu sein. Wie du es mir beschrieben hattest. Es war alles ganz leicht. Und irgendwann stellte ich dann fest, dass es 80 Minuten waren.“
    „Great!“
    „Und eine gerade Pulskurve, fast 800 Kalorien und 14 Kilometer“, ergänzte ich stolz.
    Er strahlte genauso wie ich.
    Warum auch immer, mir fiel der Landrat ein. „Sag mal, war das gerade der Landrat Pipa? Trainierst du den auch?
    „Diskretion, Diskretion, Diskretion! Ich sage kein Wort ohne meinen juristischen Beistand namens Claudia“, lachte er. „Nein, im Ernst: Über Klienten spreche ich nicht. Ich sage ja auch niemandem, welche exzellenten Werte du schon nach sehr kurzer Zeit erzielst. Das würde andere nur neidisch machen.“
    Seine Worte taten mir gut. Genauso wie der Lauf selbst.
    „Okay. Das heutige Training. Du hast gerade den Flow angesprochen. Da fällt mir ein: Wann bist du mal wieder in Gelnhausen?“
    Ich zuckte mit den Schultern.
    Tim fuhr fort. „Book on running. Solltest du unbedingt lesen. Es hat ein Laufpapst geschrieben. Grimmelshausen-Buchhandlung in Gelnhausen. Die haben es vorrätig.“
    Das sollte ich mir gleich besorgen. Geld hatte ich dabei. Betreff Geld: Ich holte ein dickes Bündel Geldscheine heraus. Bis heute hatte ich ihn noch nicht bezahlt, und er hatte nie danach gefragt. Ich zählte ihm vier 500-Euroscheine in die Hand. Wir hatten immerhin schon zehn Trainingsstunden miteinander verbracht.
    „Wow, you made my day!“
    Ich war glücklich, ihm das Geld in die Hand zu drücken. Es hatte mich einiges an Mühe gekostet, einen Weg zu finden, so viel Geld auf die Seite zu bringen. Letztlich war mir der Gedanke beim Joggen gekommen. Ich hatte viele Geschenke von Karl versilbert. In Frankfurt gab es Second-Hand-Boutiquen, die meine bisweilen sehr teure Kleidung, auch das Chanel-Kostüm musste dran glauben, ankauften. Einige wertvolle Schmuckstücke gingen über den Tresen. Ich hatte die Teile danach ausgewählt, dass Karl auf diese Accessoires offenbar keinen Wert legte und nie danach gefragt hatte. Außerdem war ich aus dem Kostüm herausgewachsen. Flugs in Bad Orb bei der Volksbank, Karl war traditionell Kunde der Sparkasse, ein Sparbuch auf meinen Namen eröffnet und nun stolze Besitzerin von ansehnlichen 56.000 Euro. Eine legale Form der Geldwäsche, wie ich befriedigt feststellte.
    Besondere Freude machte es mir, einen kleinen Teil dieses Geldes nutzbringend als Investition in

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