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Der Stolz der Flotte

Der Stolz der Flotte

Titel: Der Stolz der Flotte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kent
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so völlig lautlos, und beinahe dunkel – wie in einem Grabgewölbe.
    Mühsam versuchte er, sich aufzustützen, aber da schoß es ihm wie glühender Stahl durch die Schulter, bis er glaubte, sein Herz würde aussetzen. Er knirschte mit den Zähnen, kniff die Augen zu, um den Schmerz zu überwinden, doch er versank wieder in seinen Fiebertraum. Wie lange lag er schon so? Tage, Stunden – oder war es eine Ewigkeit, seit er… Er konzentrierte seine schwindende Willenskraft darauf, sich zu erinnern, seinen Geist davor zu bewahren, daß er unter dem Druck des körperlichen Schmerzes zusammenbrach.
    Er erinnerte sich an Gestalten und Stimmen, schwebende Gesichter und die unbestimmten Bewegungen des Schiffes. Gewisse wenn auch kurze Episoden traten deutlicher hervor, doch ungeordnet und anscheinend beziehungslos. Inch, der ihm an Deck etwas Weiches unter den Kopf schob. Und Alldays schreckensstarres Gesicht, das sich bald von dieser, bald von jener Seite über ihn beugte. Auch hörte er sich selbst sprechen und versuchte, sich zuzuhören, als stünde er bereits neben sich selbst, und sein Geist schwebe über seiner sterbenden Hülle wie ein etwas neugieriger, aber unbeteiligter Zuschauer.
    Auch andere Gesichter waren darunter gewesen, die ihm irgendwie bekannt vorkamen: ernst, jung, ruhevoll, traurig. Immer wieder hatte seine Stimme zeitweilig ausgesetzt, doch einmal, als er sich in der erstickenden Dunkelheit laut schreien hörte, hatte ein Unbekannter beruhigend gesagt: »Ich bin Angus, Sir, Schiffsarzt der
Coquette

    Bolitho versteifte sich, aufs neue rann ihm der Schweiß aus allen Poren. Dieses Gesicht und die bloße Erinnerung an die gelassenen Worte brachten ihm die Wirklichkeit, den Schock seiner Verwundung wieder nahe. Wild und unbewußt hatte er gegen den Schmerz, gegen die Unfähigkeit, sich verständlich zu machen, gegen die tastende Hand Mit verzweifeltem Aufstöhnen versuchte er, die Schulter zu bewegen, in Arm und Fingern Gefühl zu entdecken. Nichts.
    Er wurde wieder schlaff, vergaß den brennenden Schmerz, empfand nur noch die bohrende Verzweiflung, die ihn für alles andere blind machte.
    Wie aus innerster Seele hörte er sich schreien: »O Cheney, Cheney, hilf mir! Sie haben mir den Arm abgenommen!«
    Sofort scharrten Stuhlbeine über Steinboden, Schritte kamen auf ihn zu. Jemand rief: »Er kommt wieder zu sich! Sagt Bescheid!«
    Sanft legte sich ein kühles Tuch über seine Stirn; und als er die Augen wieder öffnete, sah er Allday, der auf ihn niederblickte; seine harten Hände stützten ihm den Kopf, damit jemand anderer ihm den Schmerzens – und Angstschweiß abwischen konnte.
    Er erinnerte sich jetzt an diese Hände. Sie hatten ihn gehalten, hatten sich fest an seine Schläfen gedrückt, um den ersten Schmerz von Angus’ Sonde zu lindern.
    Wie aus weiter Ferne hörte er Alldays Stimme: »Captain – wie geht’s?«
    Bolitho starrte zu ihm auf, so überrascht, Tränen in Alldays Augen zu sehen, daß er im Moment seine eigenen Schmerzen vergaß.
    »Ist ja gut, Allday«, antwortete er, »ist ja schon gut!« Wie heiser seine Stimme klang!
    Noch mehr Gesichter umschwebten ihn; Angus schob die anderen zur Seite, tastete nach seinem Puls, und dann fiel ihn wieder der Schmerz an, so daß er laut aufstöhnte. »Mein Arm?« konnte er noch fragen. »Sagen Sie’s mir!«
    Angus sah ihn an, gelassen, ohne zu lächeln. »Glauben Sie mir, Sir, er ist noch dran. Aber es ist zu früh, um etwas Bestimmtes zu sagen. Besser, man ist auf alles vorbereitet.«
    Er verschwand aus Bolithos Blickfeld und sagte: »Sofort Ve rbandswechsel. Und er muß was essen. Kräftige Fleischbrühe und ein bißchen Brandy.«
    Mühsam wandte Bolitho die Augen zu Allday hin. »Wo bin ich?«
    »In der Festung, Captain. Die
Hekla

hat Sie vor zwei Tagen hergebracht.«
    Zwei Tage. Aber er wollte es genau wissen. »Und vorher?«
    »Die
Hekl
a

hat zwei Tage bis hierher gebraucht, Captain.« Es klang ganz verzweifelt. »Ich dachte, wir schaffen’s überhaupt nicht mehr bis zu diesem verdammten Steinkasten.«
    Also im ganzen vier Tage. Zeit genug, daß die Wunde an zu eitern fing. Warum sollte er nicht ebensogut der Wahrheit ins Auge sehen wie Angus? Er hatte weiß Gott oft genug erlebt, wie es anderen passierte.
    Ganz ruhig fragte er: »Also, wie ist das – und keine Lügen, um mich zu schonen –, muß der Arm ab?«
    Wieder sah er die elende Hilflosigkeit in Alldays Augen.
    »Nein, Captain. Bestimmt nicht.« Er versuchte zu lächeln,

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