Der Stolz der Flotte
Grund hoffte Keverne, daß Bolitho imstande sein würde, sowohl seinem Vorgesetzten mit gutem Rat zur Seite zu stehen, als auch sein unruhig gewordenes Schiff wieder in den Griff zu bekommen.
Keverne überdachte, was er selbst bisher geleistet hatte. Er hatte die bei den Gefechten verwundeten und gefallenen Mannschaften zum Teil ersetzt, die Marine-Infanteristen wieder an Bord genommen, das Schiff wieder seeklar gemacht. Lucey und Lelean waren tot und Bolitho noch keineswegs wieder dienstfähig; somit war das Schiff gerade in dieser kritischen Lage erheblich unterbemannt.
Auf dem Backborddecksgang kam Leutnant Meheux herbei und lüftete den Hut.
»Anker ist kurzstag, Sir!« Es klang ganz vergnügt. »Ich bin nicht traurig, wenn wir dieses Loch auf Nimmerwiedersehen verlassen!«
»Auf der Festung wird die Flagge niedergeholt«, verkündete Partridge.
Wieder hob Keverne das Teleskop. »Ja, stimmt.« Er sah zu, wie der Wimpel unter der Brustwehr verschwand, und fragte sich, wie es wohl dem letzten zumute sein mochte, der die Festung verließ, wo schon die Lunten glommen.
Er winkte einem Midshipman. »Melden Sie dem Kommandanten mit allem Respekt, daß der Anker kurzstag ist und der Wind auf Südwest gedreht hat, Mr. Sandoe.«
Partridge sah dem hinwegeilenden jungen Manne nach. »Da haben wir Glück und brauchen uns nicht so zu quälen, um von der Landzunge klar zu kommen.«
Soeben legte ein Fahrzeug mit lohfarbenen Segeln von der Festung ab – Keverne sah es mit Verbitterung. Es war die
Torquoise,
die Brigg; in dem klaren Morgenlicht bot sie ein schönes, lebensvolles Bild. Wieder eine Chance verpaßt. Beinahe wäre das sein Schiff geworden! Flüchtig fragte er sich, ob Bolitho ihn wohl deswegen an Bord behalten hatte, weil er selbst nicht voll dienstfähig war. Aber er ließ den Gedanken ebenso schnell wieder fallen. Weder Bickford, der mit dem Kommandanten zusammen gekämpft hatte, noch Sawle, den er nicht ausstehen konnte, hatten die
Torquois
e
bekommen. Somit war es ganz offensichtlich Broughton gewesen, der mit einem Federstrich einen kleinen Leutnant von der
Valorou
s
auf die erste Stufe der Beförderungsleiter katapultiert hatte. Ärgerlich stampfte Keverne mit dem Fuß auf. Was hatte er sich für Mühe gegeben! Und zweifellos erwarteten ihn, wenn sie die feindliche Küste erreichten, irgendwelche neuen Enttäuschungen; der Admiral würde bestimmt wieder was zu schimpfen haben.
»Die
Navarr
a
hat abgelegt, Sir!«
Keverne beobachtete, wie das Prisenschiff die Marssegel setzte und sich schwerfällig an der Festungsmauer vorbeiquetschte. Wie alle Schiffe des kleinen Geleits nach Gibraltar war es mit Menschen vollgestopft, Gefangenen und Zivilisten. Das würde eine unbequeme Re ise werden, dachte Keverne.
Er hörte Schritte hinter sich – Bolitho. »Sieht nach gutem Wind aus«, sagte er. »Signal an Geschwader: ›Anker lichten.‹ Dann laufen Sie bitte Kurs Nordwest zu Nord, wie Sir Lucius angeordnet hat.«
»Klar bei Ankerspill!« brüllte Keverne. Ein Midshipman kritzelte die Order auf seine Tafel, und die Signalgasten suchten bereits die Flaggen heraus.
»Die
Hekl
a
kommt jetzt von der Festung klar, Sir«, meldete Midshipman Tothill.
Bolitho nahm ein Teleskop und richtete es auf den kleinen Bombenwerfer. Abgesehen von einem Kutter, der das Sprengkommando im allerletzten Moment aufnehmen sollte, war die
Hekl
a
das letzte Fahrzeug, das die Bucht verließ. Jetzt lag Djafou wieder einsam da mit seiner Hinterlassenschaft an Leid und Tod, den Erinnerungen an Sieg und Niederlage. Vielleicht würde eines Tages wieder jemand versuchen, diesen Ort zu besetzen, das Kastell aufzubauen, dort wi eder eine Basis für Tyrannei und Sklavenjagd zu errichten. Aber hoffentlich würden bis dahin derartige Praktiken der allgemeinen Verurteilung anheimgefallen sein.
Die
Hekl
a
stürzte sich mit vollen Marssegeln in die ersten Wellen der ablandigen Dünung. Es war nicht leicht, das Teleskop mit einer Hand zu halten; betroffen merkte er, daß ihm bereits vor Anstrengung der Atem stockte. Aber nur noch einen Augenblick! Er ließ das Glas langsam über das Vorschiff der
Hekl
a
gleiten, wo die Matrosen in den karierten Hemden scheinbar sinnlos durcheinanderliefen und das Schiff auf Kurs brachten. Dann sah er Inch, der sich an der niedrigen Reling festklammerte, den mageren Körper gegen die Schräglage neigend – er schwenkte seinen Hut. Vor ein paar Tagen noch hatte er auf dem gleichen ungeschützten Deck
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