Der Stolz der Flotte
die Pumpen das ständig einströmende Wasser nicht mehr schaffen. Und vor Tageslicht war es unmöglich, den ganzen Schaden, das Ausmaß der Havarie, festzustellen.
»Fertig, Sir!« schrie Meheux heiser.
Bolitho fiel Broughtons Kommentar wieder ein. »Na schön!« hatte er gesagt. Lieber Gott, wie lange schien das her zu sein! Und dabei wehte ihre Flagge erst seit gut drei Stunden über der
Navarra
.
Am Vorschiff hörte er den Klüver wütend knattern und die Blöcke ungeduldig rasseln. Er mußte an die Männer auf den Rahen denken – hilflos wie Mäuse auf Treibholz.
»Vormarssegel setzen!« Schon rannte Meheux nach vorn, um seine Befehle zu geben. »Ruder legen, Mr. Grindle!« Heftig schwenkte er den Arm. »Sachte! Vorsicht mit den neuen Ruderzügen!«
Vom Vorschiff kam durch die Finsternis plötzlich das Knattern sich füllender Segel, dazu undeutliches Rufen hoch oben vom Mast.
»An die Leebrassen!« Er rutschte auf dem unbekannten Deck aus, spähte aber angestrengt nach vorn. »Großmarssegel setzen!«
Erregt schrie Grindle: »Sie reagiert, Sir!«
Rollend, gegen den Druck von Ruder und Segeln ankämpfend, glitt die
Navarr
a
wie betrunken in eine steile See; immer mehr gaben die Rahen dem stetigen Druck nach. »Hart Backbord, Mr. Grindle!« Bolitho rannte wieder zur Schanz und beobachtete gespannt das im Dunkel undeutlich schimmernde Großmarssegel, unter dessen Druck das Schiff sich drehte.
Weiter drehte sich das Rad, und Bolitho brüllte den unsichtbaren Männern seine Befehle zu, bis seine Kehle wund wie rohes Fleisch war.
Aber die
Navarr
a
gehorchte: langsam, schmerzhaft, die Segel grollend wie lebendige Ungeheuer, während der einsame Klüver wie ein bleicher Halbmond durch das schwarze Gewirr der Fallen und Wanten leuchtete.
Bolitho wischte sich Gischt aus den Augen und rannte zur Luvseite. Schon hatte sich der Winkel des Seegangs verändert, und die wütend brechenden Wellenkämme kamen jetzt direkt von Steuerbord. Überall stöhnten Holz und Hanf, klapperte gebrochenes Geschirr; er wartete nur darauf, daß irgend etwas mit reißendem Ton von oben kam, als Signal seiner Niederlage.
Aber nichts geschah, und die Männer am Rad behielten das Ruder unter Kontrolle. Wer die
Navarr
a
auch konstruiert hat, der Mann verstand sein Handwerk, dachte Bolitho halb im Traum.
»Wir steuern genau Ost, Mr. Grindle!« Er mußte es zweimal rufen, damit sie ihn hörten. Oder vielleicht waren sie wie er selbst nur zu zerschlagen vom tobenden Wetter, um noch vernünftig zu denken, etwas verstehen zu können.
»Klar bei Brassen!« Im Dunkel war es, als schreie er über ein leeres Deck. Ein Geisterschiff, auf dem er ganz allein war – hoffnungslos.
»Schoten los und hol dicht!« War es die Dunkelheit, war es die Anstrengung – anscheinend konnte er nicht richtig sehen; er mußte die Sekunden zählen, um das Rundkommen der Rahen abzuschätzen; seinen tränenden Augen konnte er nicht mehr trauen.
Meheux kam nach achtern gestolpert, schwankend wie ein Betrunkener. Er rutschte aus und fiel lästerlich fluchend über den toten spanischen Kapitän, der noch immer am Fuß der Leiter lag.
»Wir müssen noch ein Reff einstecken, Sir.« Er hielt inne, anscheinend verblüfft, daß er noch lebte. »Am besten schicken wir die Dons
gleich nach oben. Später kriegen wir sie bestimmt nicht mehr rauf, ganz gleich, was wir ihnen androhen!«
Bolitho grinste mit schmerzenden, aufgesprungenen Lippen. Unsicherheit und Angst waren weg, als ginge es in eine Schlacht. Eine ganz eigene Art von Irrsinn, kaum weniger verzehrend als echter Wahnsinn. Später, wenn sie vorbei war, hinterließ sie eine Leere, man war so völlig verbraucht wie ein Fuchs am Ende der Hetzjagd.
»Na dann los!« brüllte er. »Alles festmachen und belegen!« Starr stand noch immer das Grinsen auf seinem Gesicht. »Und betet, daß der Kasten hält!«
Auch den Leutnant schien die gleiche Wildheit erfaßt zu haben. Sein Nordengland-Akzent war stärker als sonst. »Beten tu’ ich schon, seit ich auf diesem Wrack bin, Sir!« Laut lachte er durch die Gischt.
»Und ’n klein bißchen hat’s ja auch geholfen!«
Schwankend ging Bolitho zum Ruder. »Wir reffen, Mr. Grindle. Aber sobald Sie das Gefühl haben, daß sie anluvt, sagen Sie Bescheid.
Eine Wende kann ich nicht riskieren.«
Der Unteroffizier tauchte neben ihm auf. »Kein Arzt, Sir. Und achtern sind an Steuerbord ein paar böse Risse.«
»Sagen Sie Mr. Meheux, er soll seine Dons unter Deck schicken,
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