Der Stolz der Flotte
»Bitte nehmen Sie Platz, Senora.«
Sie war fast einen Kopf größer als ihr Mann und schätzungsweise zwanzig Jahre jünger. Das eher aparte als schöne Gesicht war von den sehr dunklen Augen beherrscht und von einem Mund, der jetzt, zu einer schmalen Linie zusammengepreßt, eiserne Entschlossenheit und Zorn ausdrückte.
»Ich bleibe nicht!« Zum erstenmal sah sie ihn an. »Alle reden davon, wie wichtig mein Mann auf einmal für Sie ist. Ich bin nur gekommen, damit er sich nicht zum Narren macht!«
»Aber mein Täubchen!«
Sie fuhr herum, und Pareja trat erschrocken zurück. »Ich bin nicht dein Täubchen! Du hast mir versprochen, mich aus diesem Krieg und aus der Angst vor diesem Krieg herauszubringen. Und kaum sind wir auf See, was passiert?« Verachtungsvoll zeigte sie mit dem Finger auf Bolitho. »Der da kapert unser Schiff und bringt uns dabei fast ums Leben!«
Meheux fuhr dazwischen. »Halten Sie gefälligst den Mund, Madam!
Captain Bolitho ist ein Offizier des Königs , und Sie tun gut daran, das nicht zu vergessen!«
»Oh,
Captain
!
« Sie machte einen spöttischen Knicks. »Welche Ehre, in der Tat!«
Allday machte Miene, sie von hinten zu fassen, aber Bolitho schüttelte den Kopf. »Tut mir leid, daß Sie Unbequemlichkeiten haben, Senora Pareja. Ich will mein möglichstes tun, Sie alle nach Malaga zurückzuschaffen, so schnell es irgend geht.«
Sie biß sich auf die Lippen; er sah, daß ihr geschmeidiger Leib vor Wut bebte.
»Sie wissen ganz genau, daß das unwahrscheinlich ist, Captain. Vermutlich werden wir von einem Schiff zum anderen geschoben, müssen von Ihren Matrosen Unwürdiges erdulden und stranden schließlich in irgendeinem Hafen. Ich habe ähnliches schon gehört, das können Sie mir glauben!«
Ihre Stimme war wie ihr Körper recht kraftvoll, und sie sah aus, als könne sie sich ganz gut verteidigen. Jedoch wie sie da in der ausgebrannten Kajüte stand, mit den Flecken auf dem Kleid, die der Sturm und die Pflege der Verwundeten verursacht hatten, hörte Bolitho aus ihrer Stimme noch etwas anderes heraus. Zorn ja – aber keine Angst.
Eher Enttäuschung als Verzweiflung über ihre mißliche Lage.
»Ich werde veranlassen«, erwiderte er, »daß Sie und Ihr Gatte eine andere Kabine bekommen. Ihre eigene ist, wie ich höre, zerstört worden?«
»Ja. Und alle meine Koffer hin.« Zornig blitzte sie ihren Mann an.
»Aber seine sind natürlich noch da!«
»Aber meine Taube!« Pareja fiel beinahe vor ihr auf die Knie. »Ich werde dich beschützen!«
Verwundert und unangenehm berührt, wandte Bolitho den Kopf ab und sagte zu Meheux: »Lassen Sie die beiden jetzt…« Er brach ab, denn draußen erklang ein Schreckensruf und dann ein Schuß. Er ergriff seinen Degen, stieß Pareja beiseite und stürzte hinaus, Meheux und Allday hinter ihm her.
Die Sonne schien so blendend, daß er in den ersten Sekunden nichts Besonderes erkennen konnte. Am Hauptluk standen noch einige Passagiere und warteten auf Verpflegung. Andere starrten angstvoll erschrocken zum Vorderkastell, wo zwei Männer hinter einer Drehbasse standen, die auf das Achterdeck gerichtet war. Neben dem Geschütz lag leise stöhnend einer von Meheux’ Matrosen, dem das Blut aus einer Schulterwunde floß, wo ihn anscheinend eine Pistolenkugel getroffen hatte.
»Das ist ja der Mann!« rief Pareja erschrocken. »Witrand!«
Bolitho rührte sich nicht. Ein Zug an der Reißleine, und eine Ladung Schrapnell würde das ganze Deck leerfegen. Sie mußte nicht nur ihn, sondern auch die meisten Dazwischenstehenden niedermetzeln.
»Bleibt weg von dem Geschütz!« brüllte er. »Ihr könnt nichts machen!«
»Es wäre auch wirklich blanker Unsinn,
capitaine
!
«
Die Stimme des Mannes war sanft, aber überraschend laut. »Einige Ihrer Leute hatten das –
e
h
bie
n
– Mißgeschick –«, und dabei lächelte er »– ein Fäßchen exzellenten Brandy zu entdecken. Sie können Ihnen, fürchte ich, wenig helfen.« Die Mündung schwenkte etwas herum. »Werfen Sie Ihre Waffen weg. Die spanischen Matrosen werden ihren Dienst wieder aufnehmen. Zweifellos können sogar sie das Schiff segeln, wenn sie müssen.« Jetzt lächelte er ganz breit; sehr weiß leuchteten seine Zähne in dem tief gebräunten Gesicht. »Ihr eigenes Schiff ist weg. Es wäre sinnlos für Sie, sich oder andere zu opfern, nur Ihres Stolzes wegen.«
Krampfhaft versuchte Bolitho, das Problem zu durchdenken, dem er da gegenüberstand. Selbst wenn er mit denen, die noch nüchtern
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