Der stolze Orinoco
Stückchen, die er Parchal einhändigte.
Im nächsten Augenblick waren Jacques Helloch und Parchal schon zurück an Bord der »Gallinetta«.
»Germain! Germain! Der Coloradito! Der Coloradito!«
Das war Alles, was Jacques Helloch hervorzubringen vermochte.
»Gut, Jacques, ein neuer Fieberanfall ist noch nicht wieder eingetreten, antwortete Germain Paterne. Jetzt ist die richtige Zeit… Wir werden sie retten, lieber Freund… ja, ja, wir retten sie noch!«
Während nun Germain Paterne die Abkochung zubereitete, sachte Jacques Helloch die Kranke zu beruhigen. Noch niemals hatte das Sumpffieber dem Coloradito widerstanden… darin konnte man dem Capitan von Mavaca trauen…
Die arme Leidende mit ihren großen Augen und wachsbleichen Wangen hatte nach dem Anfall, bei dem ihre Körperwärme bis auf einundvierzig Grad gestiegen war, doch noch die Kraft, ein wenig zu lächeln.
»Ich fühle mich schon besser, stammelte sie, und ich habe doch noch gar nichts genommen…
– Jeanne, meine liebste Jeanne,« murmelte Jacques Helloch, während er neben ihr niederkniete.
Germain Paterne genügten wenige Minuten, um aus der Rinde des Coloradito einen Auszug zu bereiten, und Jacques Helloch näherte die Tasse den Lippen des jungen Mädchens.
Als diese den Inhalt getrunken hatte, sagte sie nur: »Danke, danke!« dann fielen ihr die Augen zu.
Jetzt mußte man sie allein lassen. Germain Paterne zog auch Jacques Helloch, der nicht von ihrer Seite gehen wollte, mit sich fort. Beide nahmen dann schweigend auf dem Vordertheil der Pirogue Platz.
Die Mannschaften waren schon veranlaßt worden, ans Land zu gehen, um an Bord jedes Geräusch zu vermeiden. Wenn die Kranke einschlummerte, war es höchst wichtig, ihren Schlaf durch nichts zu stören.
Der Sergeant Martial war über Alles benachrichtigt worden; er wußte, daß das fieberwidrige Mittel erlangt und daß es Jeanne schon eingegeben worden war. Jetzt verließ er die »Moriche«, sprang eiligst ans Ufer und lief nach der »Gallinetta« zu.
Germain Paterne bedeutete ihm zurückzubleiben. Der arme Mann gehorchte, und mit Thränen in den Augen lehnte er sich gegen ein Felsstück.
Nach der Ansicht Germain Paterne’s mußte, wenn ein neuer Anfall ausblieb, die Aufsaugung des Coloradito ihre Wirkung gethan haben. Binnen zwei Stunden würde das entschieden sein. Binnen zwei Stunden mußte man wissen, ob die Hoffnung, ja sogar die gewisse Aussicht vorlag, das junge Mädchen zu retten.
Mit welch unsäglicher Angst warteten jetzt Alle auf die Entscheidung! Jeder lauschte gespannt, ob ein Seufzer den Lippen der Kranken entschlüpfte… ob sie riefe… doch kein Wort von ihr wurde hörbar.
Jacques Helloch näherte sich dem Deckhause.
Jeanne schlummerte, schlummerte ganz ruhig, ohne jedes Zeichen von Athemnoth.
»Sie ist gerettet… gerettet! hauchte er Germain Paterne ins Ohr.
– Ich hoffe es… ich glaub es! O, der Coloradito ist ein vortreffliches Mittel… leider sind nur die Apotheken am obern Orinoco gar so selten!«
Als Jeanne dann am Nachmittage einmal erwachte, konnte sie, die Hand ausstreckend, mit vollem Recht zu Jacques Helloch sagen:
»Ich fühle mich jetzt besser… ja, weit besser!«
Und zu dem Sergeanten Martial, der nun Erlaubniß erhalten hatte, an Bord der »Gallinetta« zurückzukehren, sagte sie:
»Es geht gut, lieber Onkel!« und dabei wischte sie dem alten Soldaten die Thränen aus den Augen.
Die ganze Nacht hielt man an ihrem Lager Wache, und wiederholt wurde ihr die heilsame Abkochung eingeflößt. Im übrigen schlief sie friedlich, und bei ihrem Erwachen am nächsten Morgen konnte es niemand mehr zweifelhaft sein, daß sie der Genesung entgegenging. Wie jubelten da die Passagiere und wie aufrichtig theilten die Mannschaften ihre Freude!
Selbstverständlich nöthigte man den Capitan von Mavaca, trotz seiner lobenswerthen Weigerung, zu Gunsten seiner Familie aus der Ladung der »Moriche« zu wählen, was ihm begehrenswerth erschien. Der wackre Mann zeigte sich höchst bescheiden. Einige Messer, eine kleine Axt, ein Stück Stoff, einige kleine Spiegel und Glasgegenstände nebst einem halben Dutzend Cigarren… das nahm er als Entschädigung für seinen Coloradito an.
Erst ganz kurz vor der Abfahrt fiel es auf, daß Jorres nicht an Bord der Pirogue und wahrscheinlich vom Abend vorher bis heute Morgen abwesend gewesen war.
Als er sich schließlich einstellte und Jacques Helloch ihn deswegen fragte, gab er zur Anwort, daß er, da die Mannschaft Befehl
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