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Der stolze Orinoco

Der stolze Orinoco

Titel: Der stolze Orinoco Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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hinaufgehen zu wollen, und mit Erreichung derselben war man ja noch nicht einmal in Santa-Juana. Setzte kein Rio die Mission mit dem Flusse in Verbindung, so mußte man noch einen Weg über Land einschlagen und bei drückender Hitze durch unbegrenzte Wälder wandern.
    Als Jeanne von Kermor aber aus ihrer Betäubung erwachte, als das Fieber sie nur einigermaßen verlassen hatte, da fragte sie auch schon mit unruhiger Stimme:
    »Herr Jacques, wir fahren doch immer noch auf dem richtigen Wege weiter?
    – Ja, Jeanne, ja! antwortete er.
    – Ich denke ohne Unterlaß an meinen armen Vater!… Ich habe auch geträumt, daß wir ihn gefunden hätten… daß er bei seiner Tochter wäre… und er dankte Ihnen, dankte für Alles, was Sie für mich… und für ihn… gethan hätten.«
    Jacques Helloch wandte den Kopf ab, um seine Thränen zu verbergen. Ja, er weinte, dieser thatkräftige Mann weinte, weil er sich ohnmächtig fühlte gegenüber diesem sich immer verschlimmernden Leiden… gegenüber dem Tode dessen kalte Hand sich schon nach dem jungen Mädchen ausstreckte.
    Am Abend hielten die Piroguen bei Port Mapaya an, von wo sie früh am nächsten Morgen wieder abfuhren und sich bald der Segel, bald der Pagaien bedienten. Da das Wasser sehr niedrig war, liefen die Falcas wiederholt Gefahr, auf dem sandigen Grunde des Flusses aufzufahren.
    Im Laufe dieses recht anstrengenden Tages kamen die beiden Piroguen an der Stelle vorüber, wo die Cerros Moras das sonst flache rechte Ufer mit ihren letzten Ausläufern unterbrechen.
    Am Nachmittag drohte ein neuer, ungemein heftiger Anfall das Leben der Kranken zu beendigen. Man glaubte ihr letztes Stündlein sei gekommen, der Sergeant Martial geberdete sich so verzweifelt, daß Germain Paterne, um Jeanne dessen Weinen und Schluchzen nicht hören zu lassen, ihn nach der »Moriche« hinüberbringen ließ, die kaum fünfzig Schritte weit hinter der ersten Pirogue folgte. Das schwefelsaure Chinin erwies sich völlig unwirksam.
    »Germain… Germain, sagte da Jacques Helloch, der seinen Genossen nach dem Vordertheile der »Gallinetta« geführt hatte, Jeanne wird sterben müssen…
    – Gieb noch nicht alle Hoffnung auf, Jacques!
    – Ich sage Dir, sie wird sterben… und selbst, wenn dieser Anfall sie nicht tödtet… einen zweiten solchen hält sie nicht mehr aus!«
    Das war nur zu gewiß, und Germain Paterne ließ den Kopf sinken.
    »Und nichts dagegen thun zu können, seufzte er, nichts!«
    Gegen drei Uhr am Nachmittage fiel ein gewaltiger Regen herab, der die erstickende, fast unausgesetzt gewitterdrohende Luft etwas abkühlte. Das war recht erwünscht, denn dem Flusse kam das reichliche, aus den bleigrauen Wolken strömende Wasser recht sehr zu gute. Die hier so zahlreichen Zuflüsse erhöhten den Wasserstand und begünstigten ja damit die Weiterfahrt der Piroguen.
    Um vier Uhr kam hinter einer vorspringenden Waldmasse an der linken Seite der ziemlich hohe Cerro Yaname in Sicht, und oberhalb des scharfen Bogens, den der Orinoco hier beschreibt, öffnete sich die schmale Mündung des Rio Mavaca.
    Da der Wind sich gänzlich gelegt hatte, unterbrachen Valdez und Parchal die Fahrt am Fuße eines Sitio, der nur aus wenigen, von fünf bis sechs Mariquitarer-Familien bewohnten Strohhütten bestand.
    Der Erste, der ans Land eilte, war Jacques Helloch, der noch nach der »Moriche« ein: »Kommen Sie mit, Parchal!« gerufen hatte.
    Wohin wollte er?
    Den Capitan des Sitio aufsuchen.
    Und welches Anliegen hatte er an diesen?
    Er wollte ihn anflehen, die Sterbende dem Tode zu entreißen.
    Der Capitan bewohnte eine ziemlich ansehnliche Hütte, wie es die der Mariquitarer im allgemeinen sind. Es war ein geweckter, recht freundlicher Indianer von etwa vierzig Jahren, der die beiden Fremden sehr zuvorkommend empfing.
    Auf Ersuchen Jacques Helloch’s fragte ihn Parchal sofort nach dem Coloradito.
    Wahrscheinlich kannte der Capitan ja diese Pflanze, und jedenfalls kam sie in der Gegend hier vor.
    »Ja, gewiß, erwiderte der Indianer, wir machen von ihr bei Fiebern gar oft Gebrauch.
    – Und sie heilt diese Leiden?
    – Immer!«
    Vorstehende Worte wurden in der Indianersprache gewechselt, die Jacques Helloch nicht verstand; als Parchal ihm aber die Worte des Capitans übersetzte, rief er drängend:
    »Der Indianer soll uns etwas von dieser Rinde schaffen. Ich bezahle Alles, was er dafür verlangt… gebe Alles, was ich besitze.«
    Der Capitan entnahm einem der Körbe in seiner Hütte einige holzartige

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