Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der stolze Orinoco

Der stolze Orinoco

Titel: Der stolze Orinoco Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
Vom Netzwerk:
Willensäußerung Jeanne von Kermor’s hin hatten ihre Gefährten indeß beschlossen, die Reise ohne Verzug fortzusetzen.
    Das werthvolle Heilmittel konnte man sich in Santa-Juana jedenfalls verschaffen. Doch wie viel Zeit würden die beiden Piroguen brauchen, die zweihundert Kilometer, die es noch bis zur Mission war, zurückzulegen?
    Am folgenden Tage wurde die Fahrt also mit dem Morgengrauen fortgesetzt. Heute drohte es mit Gewittern und man hörte zuweilen auch fernen Donner. Dabei herrschte aber ein günstiger Wind, den sich Valdez und Parchal nicht entgehen lassen wollten. Die braven Männer nahmen an dem Schmerze ihrer Passagiere aufrichtigen Antheil. Sie liebten ja den jungen Mann und waren untröstlich, ihn von Tag zu Tag schwächer werden zu sehen. Der Einzige, der sich ganz gleichgiltig erwies, war der Spanier Jorres. Er schien gar nicht darauf zu achten, was an Bord vorging.
     

    Das Auftreten jener riesigen Irrlichter… (S. 292.)
     
    Seine Blicke schweiften nur über die Ilanos auf der rechten Seite des Ufers. In der Befürchtung, Verdacht zu erwecken, hielt er sich dann meist ganz vorn auf der »Gallinetta« auf, während seine Kameraden sich um den Mast herum ausgestreckt hatten. Ein-oder zweimal machte Valdez darüber eine Bemerkung, und ohne Zweifel hätte auch Jacques Helloch das Benehmen des Spaniers verdächtig gefunden, wenn er Muße gefunden hätte, diesen zu beobachten. Seine Gedanken waren aber ganz wo anders, und während die Falcas Seite an Seite dahinglitten, verweilte er lange Stunden auf dem Fahrzeuge am Eingang des Deckhauses und behielt das junge Mädchen im Auge, das zu lächeln sachte, um ihm für seine Aufmerksamkeit zu danken.
    Und heute sagte sie zu ihm:
    »Herr Jacques, ich möchte Sie wohl um ein Versprechen bitten.
    – Sprechen Sie… sprechen Sie, Fräulein Jeanne. Ich werde das Versprechen halten, welches es auch sei.
    – Herr Helloch… vielleicht werd’ ich doch nicht stark genug sein, unsre Nachsuchungen fortzusetzen. Vielleicht muß ich, in der Mission angelangt, in Santa-Juana längere Zeit zurückbleiben. Würden Sie nun, wenn wir erfahren, was aus meinem Vater geworden ist… ja… würden Sie…
    – Versuchen, ihn aufzufinden? – Gewiß, Jeanne… meine liebe Jeanne. Ja, ich werde hinausziehen, werde den Spuren des Oberst von Kermor folgen, ihn sicherlich finden und ihn seiner Tochter zuführen.
    – Ich danke Ihnen, Herr Helloch, danke Ihnen im voraus von ganzem Herzen!« antwortete die Kranke, deren Kopf, den sie für einen Augenblick erhoben hatte, auf das Lager zurücksank.
    Durch eine Mündungsstelle, die weit breiter als der Fluß selbst ist, ergießt der tiefe Padamo eine große Masse klaren Wassers in den Orinoco. Es ist einer der Nebenflüsse, der nicht ohne Grund mit dem Guaviare und dem Atabapo in Wettbewerb treten könnte.
    Weiter aufwärts herrschte eine ziemlich schnelle Strömung zwischen steil abfallenden Ufern, über denen der Saum dichter Waldmassen sichtbar war. Die Piroguen fuhren manchmal unter Segel, manchmal wurden sie durch Pagaien fortbewegt. Vom Ocamo an nach aufwärts schrumpfte die Strombreite nun auf fünfzig Meter zusammen.
    Der Tag verlief für die Kranke recht schlecht. In Folge eines sehr starken Fieberanfalls nahm ihre Schwäche noch weiter zu. Jetzt nahte offenbar der tödliche Ausgang, wenn es Germain Paterne nicht gelang, das einzige Arzneimittel zu beschaffen, das hier noch eine Wirkung versprach.
    Wie könnten wir die schmerzliche Unruhe schildern, die unter den Passagieren der Piroguen herrschte! Des Sergeanten Martial hatte sich eine solche Verzweiflung bemächtigt, daß man für seinen Verstand fürchten konnte. Die Leute von der »Gallinetta« wichen gar nicht mehr von seiner Seite, weil sie besorgten, daß er sich in einem plötzlichen Anfalle geistiger Gestörtheit in den Fluß stürzen könnte.
    Jacques Helloch blieb bei Jeanne, milderte den brennenden Durst, der sie verzehrte, mit etwas frischem Wasser und lauschte, beängstigt durch ihr leises Seufzen, auf jeden Laut von ihren Lippen. Sollte er wirklich die nicht retten können, der er so innig in reinster Liebe zugethan war und für die er sein Leben gern hundertmal in die Schanze geschlagen hätte?…
    Da kam ihm auch der Gedanke, daß er dem Wunsche des jungen Mädchens hätte widerstehen und Anordnungen zur Rückkehr nach San-Fernando geben sollen. Es erschien ja fast widersinnig, unter den vorliegenden Verhältnissen bis zu den Quellen des Orinoco

Weitere Kostenlose Bücher