Der stolze Orinoco
Umstand, aus dem Vortheil zu ziehen wäre?…
Unterwegs machte Jacques Helloch auch Valdez Mittheilung von dieser Antwort.
»Ja, in sechs bis sieben Stunden, sagte er, könnte der Pater Esperante unterrichtet sein, daß unsre kleine Gesellschaft auf dem Wege nach Santa-Juana ist. Er würde gewiß nicht zögern, uns Verstärkung entgegen zu schicken. Vielleicht käme er gar selbst…
– Höchst wahrscheinlich, meinte Valdez; doch wenn wir dieses Kind gehen lassen, berauben wir uns des einzigen Führers, und den, glaub’ ich, können wir nicht entbehren, da er allein das Land hier kennt.
– Sie haben Recht, Valdez, Gomo ist uns nothwendig, und vorzüglich, wenn wir an die Furt von Frascaes kommen.
– Da werden wir gegen Mittag sein; haben wir dann die Furt hinter uns, so werden wir ja sehen…
– Ja wohl, da wird sich’s ja zeigen, Valdez. Vielleicht droht uns Gefahr gerade an jener Uebergangsstelle.«
Wer hätte sagen können, ob Jacques Helloch und seine Gefährten nicht schon, bevor sie diese erreichten, von Gefahren bedroht würden? Nachdem Jorres das Lager am rechten Ufer des Rio Torrida ausgespäht hatte, konnte er da nicht mit der Alfaniz’schen Bande am linken Ufer des Flusses hinausgezogen sein? Da die Quivas einen Vorsprung von mehreren Stunden hatten, war es ja möglich, daß sie die Furt von Frascaes bereits überschritten hatten. Jetzt zogen sie vielleicht am rechten Ufer des Flusses hinunter, um die kleine Truppe zu überfallen. Eine solche Annahme war ja nicht auszuschließen. Als sich jedoch Valdez um neun Uhr einige Schritte weiter vorgewagt hatte, konnte er bei seiner Rückkehr zu den Uebrigen versichern, daß der Weg frei zu sein scheine. Auch am jenseitigen Ufer verrieth nichts die Anwesenheit der Quivas.
Jacques Helloch wollte nun an der jetzt erreichten Stelle Halt machen, nachdem er Gomo gefragt hatte:
»Wie weit sind wir wohl noch von der Furt entfernt?
– Etwa zwei Wegstunden, antwortete der junge Indianer, der Entfernungen nicht anders als nach der Zeit, in der sie zurückgelegt werden konnten, zu schätzen gewohnt war.
– So wollen wir ein wenig ruhen, rief Jacques Helloch, und schnell etwas von unserm Mundvorrath frühstücken. Ein Feuer anzuzünden ist ja nicht nöthig.«
In der That wäre man damit Gefahr gelaufen, seine Gegenwart zu verrathen… eine Rücksicht, deren Grund Jacques Helloch für sich behielt.
»Nur schnell, liebe Freunde, schnell, wiederholte er, nur eine Viertelstunde Rast!«
Das junge Mädchen durchschaute ihn recht gut. Jacques Helloch war von einer Unruhe gepeinigt, deren Ursache sie allerdings nicht kannte. Wohl hatte sie davon reden hören, daß in der Gegend jetzt Quivas hausen sollten, auch wußte sie ja, daß Jorres verschwunden war; sie konnte aber nicht ahnen, daß der Spanier, wenn er an Bord der »Gallinetta« den Orinoco mit ihnen hinauffuhr, dies nur gethan hatte, um zu Alfaniz zu stoßen, ebensowenig daß zwischen dem aus Cayenne entwichenen Sträfling und ihm von langer Zeit her nähere Beziehungen bestanden. Mehr als einmal war sie nahe daran, zu sagen:
»Was bedrückt Sie denn eigentlich, Herr Helloch?«
Sie unterließ jedoch eine solche Frage, da sie sich auf die Intelligenz Jacques Helloch’s, auf seinen Muth und seine Ergebenheit ebenso verließ, wie es auch gewiß sein Wunsch war, recht bald ans Ziel zu gelangen. Die kalte Mahlzeit wurde schnell beendet. Germain Paterne, der sie gern verlängert gesehen hätte, machte gute Miene zum bösen Spiel – es blieb ihm ja kein andrer Ausweg übrig. Ein Viertel auf zehn Uhr wurden die Säcke wieder geschlossen und aufgenommen, und nochmals ging es in der frühern Ordnung weiter.
Wenn der Wald sich am rechten Ufer des Rio Torrida ohne Unterbrechung fortsetzte, so bot das linke Ufer jetzt einen davon sehr abweichenden Anblick. Die Bäume standen dort nur noch in einzelnen über die Ilanos verstreuten Gruppen zusammen, und zwischen ihnen sproßte üppiges Gras, womit die Abhänge der Sierra überhaupt bis zum Gipfel bedeckt waren.
Das jenseitige Ufer hatte sich dagegen so gesenkt, daß es fast im gleichen Niveau mit dem Rio verlief. Hier war es also möglich, eine große Strecke der von keinem Baumvorhang verhüllten Savanne zu überblicken. Während man die Sierra anfänglich im Nordosten gehabt hatte, lag diese seit dem gestrigen Abend fast im Süden.
Jacques Helloch und Valdez behielten das andre Ufer unausgesetzt scharf im Auge, ohne deshalb das zu vernachlässigen, auf dem sie
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