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Der stolze Orinoco

Der stolze Orinoco

Titel: Der stolze Orinoco Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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genaue Auskunft zu geben.
    »Du hast doch wohl gelegentlich Karten gesehen, die ein Stück Erde mit Land und Meer, mit Bergen und Flüssen darstellen? fragte ihn Jacques Helloch.
    – Ei freilich! erwiderte er. In der Schule in Santa-Juana haben wir solche gar häufig gesehen.
    – Nun, so sieh Dir einmal diese hier recht aufmerksam an. Der große Strom, der darauf einen Halbkreis bildet, ist der Orinoco, den Du ja kennst.
    – Den ich nicht nur kenne, sondern auch liebe!
    – Ja, Du bist ein braves Kind… Du liebst Deinen schönen Strom!… Siehst Du auch hier, nahe seinem Ende, diesen mächtigen Berg?… Daraus kommen seine Quellen hervor.
    – Die Sierra Parima, Herr Helloch, ja, das weiß ich… dort sind die Raudals, die ich mit meinem Vater oft genug hinauf und hinab gefahren bin.
    – Richtig… zum Beispiel das Raudal von Salvaju.
    – Und dann… hier ragt ein Pic empor…
    – Der Pic Lesseps…
    – Täusche Dich aber nicht; so weit sind wir mit unsern Piroguen nicht hinausgekommen.
    – O nein… so weit nicht.
    – Warum stellen Sie an Gomo alle diese Fragen, Herr Helloch? fragte jetzt Jeanne.
    – Ich möchte über den Verlauf des Rio Torrida aufgeklärt sein, und vielleicht kann mir in dieser Beziehung Gomo die nöthige Auskunft geben….«
    Das junge Mädchen warf einen fragenden Blick auf Jacques Helloch, der davor den Kopf senkte, jedoch sogleich in seiner Rede fortfuhr.
    »Nun, Gomo, sieh, hier ist die Stelle, wo wir unsre Piroguen zurückgelassen haben… hier, das ist der Wald, worin Deines Vaters Hütte stand… und hier ist die Mündung des Rio Torrida…
    – Da… da… sagte der junge Indianer, indem er die Fingerspitze auf die Karte setzte.
    – Ganz recht… genau da, Gomo. Doch jetzt pass’ auf; ich werde dem Laufe des Rio in der Richtung nach Santa-Juana folgen, und Du machst mich aufmerksam, wenn ich dabei einen Fehler begehe.«
    Jacques Helloch ließ nun, schräg nach Nordosten zu und indem er dem Fuße der Sierra Parima gegen fünfzig Kilometer weit nachging, den Finger über die Landkarte gleiten. Darauf zeichnete er mit Bleistift ein Kreuz ein und sagte:
    »Hier muß die Mission doch liegen?…
    – Ja wohl… eben da.
    – Und der Rio Torrida fließt von dieser Stelle aus herunter?
    – Ja… ganz wie es hier angegeben ist.
    – Kommt er nicht eigentlich von weiter oben her?
    – Gewiß, von weiter oben; wir sind zuweilen bis da hinauf gekommen.
    – Santa-Juana liegt demnach an seinem linken Ufer?
    – Wie Sie sagen.
    – Dann werden wir also den Rio noch überschreiten müssen, da wir uns jetzt auf dessen rechten Ufer befinden.
    – Das wird nöthig sein… es geht aber ganz leicht.
    – Wie denn?
    – Ja… etwas weiter stromauf ist eine Uebergangsstelle mit großen Steinen im Flußbett, über die man bei niedrigem Wasser bequem gehen kann… eine Furt, die die Furt von Frascaes genannt wird.
    – Du kennst die Stelle?
    – Ja, Herr Helloch; und ehe die Sonne im Mittag steht, werden wir sie erreicht haben.«
    Die Antworten des jungen Indianers lauteten bezüglich der Uebergangsstelle so bestimmt, weil er selbst wiederholt ebenda den Fluß überschritten hatte.
    Seine Aufschlüsse waren freilich dazu angethan, Jacques Helloch recht ernsthaft zu beunruhigen. Gestattete es die Furt von Frascaes seiner Gesellschaft, über den Fluß nach dem linken Ufer zu gelangen, so konnten auch die Quivas nach dem rechten Ufer herüberkommen. Jacques Helloch und seine Gefährten sollten also nicht bis zur Höhe der Mission den natürlichen Schutz durch den Rio genießen.
    Die Verhältnisse verschlimmerten sich hierdurch nicht wenig. Dennoch war das kein Grund zur Umkehr, da die Möglichkeit eines Ueberfalles damit auch nicht abgewendet gewesen wäre. Erst in Santa-Juana befand sich die kleine Truppe in Sicherheit… in Santa-Juana mußte sie vor Ablauf von vierundzwanzig Stunden ankommen.
    »Und Du meinst, fragte Jacques Helloch zum Schluß, daß wir die Furt von Frascaes schon gegen Mittag erreichen könnten?
    – Gewiß… wenn wir sofort aufbrechen!«
    Die Strecke, die das Lager von der Furt trennte, mochte etwa ein Dutzend Kilometer betragen, und da einmal beschlossen war, einen beschleunigten Schritt in der Hoffnung einzuschlagen, noch diese Nacht am Ziele zu sein, konnte es nicht schwer sein, die Furt vor der ersten kurzen Rast zu überschreiten.
    Jetzt hieß es also: Unverzüglich vorwärts! Alles war bereit; die Säcke auf den Schultern der beiden Bootsleute, die Decken zusammengerollt

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