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Der stolze Orinoco

Der stolze Orinoco

Titel: Der stolze Orinoco Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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geblieben, wo sich diese Unmasse riesiger Schildkröten vorüberschob.
    »Macht Feuer!… Zündet Feuer an!« rief Herr Marchal.
    Feuer… ja, das war die einzige Schranke, die man dieser Ueberfluthung entgegenstellen konnte.
    Schon hörte man laute Schreckensschreie von den Bewohnern des Ortes, die die drohende Gefahr erkannten.
    Herr Marchal war verstanden worden, und Alle beeilten sich, seiner Aufforderung nachzukommen.
    Vor der Ortschaft lagen ausgedehnte Wiesenflächen mit dichtem Grase, das der zweitägige Sonnenbrand stark getrocknet hatte, und auf denen einige Goyaven und andre Bäume mit früchtebeladnen Zweigen aufragten.
    Man durfte nicht zögern, diese zu opfern, und man zögerte damit auch nicht.
    An zehn, zwölf Stellen, hundert Schritt vor la Urbana, wurde das Gras gleichzeitig in Brand gesetzt. Bald hüpften die Flammen dahin, als ob sie aus dem Erdboden aufschlügen. Ein dichter Rauch mischte sich mit der Staubwolke, die sich nach dem Strome zu hinabsenkte.
    Das Heer der Schildkröten bewegte sich vorläufig noch weiter, was gewiß so lange fortdauerte, bis die ersten die Feuerlinie berührten. Wie aber, wenn die übrigen diese vorwärts und ins Feuer drängten, so daß die Flammen erloschen?
    Es sollte jedoch anders kommen und das Mittel des Herrn Marchal sich bewähren.
    Zunächst wurden die Raubthiere mit den Kugeln des Sergeanten Martial, des Herrn Miguel und seiner Freunde, sowie mit denen der Einwohner, die sich bewaffnet hatten, empfangen, während die beiden Männer auf der sich fortschiebenden Masse ihre letzte Munition erschöpften.
    Von beiden Seiten angegriffen, brachen einige von den Raubthieren todt zusammen.
    Erschreckt von den züngelnden Flammen, suchten andre nach Osten zu entfliehen, und es gelang ihnen auch, sich zu retten, indem sie den schon vorausgelaufenen Affen, die ein entsetzliches Geheul ausstießen, folgten.
    Da sah man die beiden Männer nach der Feuergrenze springen, ehe die ersten Reihen der langsam weiter kriechenden Schildkröten diese erreichten.
    Eine Minute später befanden sich Jacques Helloch und Germain Paterne – denn sie waren es – in Sicherheit neben Herrn Marchal, nachdem sie die Rückseite des Cerro ein Stück hinauf erklommen hatten.
    Vor dem Flammengürtel, der sich einen halben Kilometer weit hinzog, zurückprallend, wendete sich die gewaltige Masse nach links von der Ortschaft ab und verschwand, sich über das Ufer hinunter wälzend, in den Fluthen des Orinoco.

Neuntes Capitel.
Drei Piroguen beieinander.
    In Folge dieser außergewöhnlichen Invasion, die la Urbana vollständig zu zerstören gedroht hatte, erlitt die Abfahrt der Piroguen eine vierundzwanzigstündige Verzögerung. Wenn die beiden Franzosen die Absicht hatten, die Untersuchung des Verlaufes des Orinoco bis nach San-Fernando weiter fortzusetzen, erschien es am rathsamsten, vereint mit ihnen zu reisen. In diesem Fall mußte man ihnen aber Zeit zur Erholung, sowie zur Vollendung mancher Vorbereitungen gewähren und die Abfahrt also bis zum nächsten Tage verschieben.
    Die Herren Miguel, Felipe und Varinas stimmten in ihrer Weisheit mit diesem Vorgehen überein. Man hätte sich wirklich erstaunt fragen müssen, warum der Onkel und der Neffe nicht auch hätten derselben Ansicht sein sollen. Jacques Helloch und Germain Paterne hatten ja ihre eigne Pirogue, konnten also niemand zur Last fallen, und wie der Sergeant Martial auch über die Sache denken mochte, jedenfalls gewährte es den drei Fahrzeugen mehr Sicherheit, wenn sie zusammen weiter fuhren.
    »Vergiß außerdem nicht, daß wir es mit Landsleuten zu thun haben, sagte Jean von Kermor.
    – Ja, doch mit recht jungen Bürschchen!« murmelte der Sergeant Martial, unwillig den Kopf schüttelnd.
    Jedenfalls war es von Interesse, ihre Geschichte kennen zu lernen, und als sie gehört hatten, daß der Onkel und der Neffe Franzosen, ja sogar Bretonen wären, beeilten sie sich, diese zu erzählen.
    Der sechsundzwanzigjährige Jacques Helloch stammte aus Brest. Nachdem er einige wissenschaftliche Aufgaben mit Erfolg gelöst hatte, war er vom Minister des öffentlichen Unterrichts mit einer Expedition durch die Nachbargebiete des Orinoco betraut worden und vor sechs Wochen am Delta des Stromes eingetroffen.
    Der junge Mann genoß mit Recht den Namen eines verdienstvollen Forschers, der Kühnheit mit Vorsicht vereinte und schon vielfache Proben von Ausdauer und Entschlossenheit abgelegt hatte. Sein schwarzes Haar, seine glänzenden Augen, sein

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