Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der stolze Orinoco

Der stolze Orinoco

Titel: Der stolze Orinoco Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
Vom Netzwerk:
mit Sonnenaufgang nahmen die Passagiere der drei Piroguen Abschied von dem ersten Beamten la Urbanas, von Herrn Marchal und von den Einwohnern, die sie so freundlich empfangen hatten.
    Der alte Herr wollte den jungen Mann in seine Arme drücken, den er wiederzusehen hoffte, wenn er mit dem Oberst von Kermor am Hato von la Tigra vorüberkäme, wo sie sich gewiß nicht weigern würden, einige Tage zu verweilen.
    »Nur Muth, liebes Kind, sagte er, Jean umarmend, meine Segenswünsche begleiten Sie und Gott wird Ihre Schritte leiten!«
    Die drei Falcas stießen eine nach der andern vom Lande ab. Der sich wieder erhebende Wind begünstigte ihr Vorwärtskommen, und da er noch mehr aufzufrischen versprach, konnte man wohl auf eine schnelle Fahrt rechnen. Mit gehißten Segeln glitten die Piroguen, nach einem letzten Abschiedsgruße von la Urbana, längs des rechten Ufers hin, wo die Strömung nicht zu stark war.
    Von la Urbana aus verläuft der Orinoco bis San-in fast gerader, nordsüdlicher Linie. Die beiden Orte liegen an den zwei Hauptbiegungen des Stromes und fast unter demselben Meridian. Wenn der Wind anhielt, war also zu hoffen, daß die Reise ohne unliebsame Verzögerung verlief.
    Mit ganz gleicher Geschwindigkeit schwammen die drei Falcas dahin, bald hintereinander, wie die Flußschiffe der Loire, wenn das die geringe Breite des Fahrwassers nöthig machte, bald in einer Front nebeneinander, wenn sie einen genügend weiten Wasserweg vorfanden.
    Das Bett des Orinoco ist hier zwar von einem Ufer bis zum andern sehr breit, oberhalb la Urbanas aber von ausgedehnten Sandbänken unterbrochen. Zur Zeit erschienen diese in Folge des ziemlich hohen Wasserstandes wesentlich verkleinert und bildeten ebenso viele Inseln mit einem mittleren, völlig hochfluthfreien und von üppigem Grün bedeckten Theile. Zwischen diesen Inseln mußte man also hindurchdringen und um die vier Durchlässe, die sie bilden, von denen in der trockenen Jahreszeit übrigens nur zwei schiffbar sind, herumsegeln.
    Waren die Piroguen nur durch einen Zwischenraum von wenigen Metern von einander getrennt, so unterhielten sich deren Insassen von einem Bord zum andern. Wurde Jean dann angesprochen, so mußte er doch wohl oder übel antworten. Meist drehte sich das Gespräch um die Reise zur Aufsuchung des Oberst von Kermor, um deren Aussichten auf Erfolg, wobei Jacques Helloch stets bestrebt war, den jungen Mann möglichst zu ermuthigen.
    Zuweilen machte Germain Paterne, der seinen photographischen Apparat auf dem Vordertheil der »Moriche« aufgestellt hatte, Augenblicksaufnahmen, wenn die Uferlandschaft diese Mühe lohnte.
    Die Gespräche fanden übrigens nicht ausschließlich zwischen der »Moriche« und der »Gallinetta« statt, die beiden Franzosen interessierten sich auch lebhaft für die geographische Expedition der Herren Miguel, Felipe und Varinas. Sie hörten diese ja oft genug lebhaft mit einander verhandeln, wenn einer oder der andre aus irgendwelcher sich darbietenden Erscheinung eine Unterstützung seiner Ansicht ableiten zu können glaubte. Die Charakterunterschiede der drei Collegen hatten sie von Anfang an durchschaut, und, wie nicht anders zu erwarten, war es Herr Miguel, der ihnen am meisten Sympathie und Vertrauen einflößte. Im Ganzen stand die kleine Welt zu einander auf recht gutem Fuße, und Jacques Helloch übersah sogar bei dem Sergeanten Martial die brummige Laune des alten Soldaten.
    Bald dämmerte in ihm auch ein Gedanke auf, der Herrn Miguel und dessen Freunden nicht gekommen zu sein schien und den er Germain Paterne mittheilte.
    »Findest Du es nicht auffällig, daß dieser Murrkopf der Onkel des jungen von Kermor sein soll?
    – Warum wäre das auffällig, wenn der Oberst und er Schwäger waren?
    – Das ist schon richtig… und doch… sie sind nicht in gleichem Maße vorwärts gekommen. Der eine ist Oberst geworden, während der andre Sergeant geblieben ist.
    – Das hat man schon erlebt, Jacques, erlebt es noch heute und wird es auch künftig erleben.
    – Zugegeben, Germain. Wenn es ihnen übrigens paßt, als Onkel und Neffe aufzutreten, so geht das niemand etwas an.«
    Jacques Helloch hatte allerdings Grund, die Sache etwas seltsam zu finden, und er blieb auch der Meinung, daß es sich hier nur um eine gelegentliche Verwandtschaft handelte, die zur Erleichterung der Reise improvisiert wäre.
    Am Morgen kam die Flottille an der Mündung des Capanaparo und bald darauf an der des Indabaro, eines Seitenarmes des ersteren,

Weitere Kostenlose Bücher