Der stolze Orinoco
Zusammentreffen mit ihm keine Gelegenheit versäumt, Jean von Kermor seine lebhafteste Antheilnahme zu beweisen Letzterer mußte das auf jeden Fall bemerkt haben, es fragte sich nur, wie er dieses Interesse erwiderte. Etwa mit gleichem Entgegenkommen, wie man es von einem jungen Manne seines Alters gegenüber einem so dienstwilligen Landsmanne erwartet hätte, der so viele Theilnahme für ihn an den Tag legte, für den Erfolg seines Unternehmens so aufrichtige Wünsche aussprach und sich, soweit es die Umstände zuließen, vollständig zu seiner Verfügung stellte?
Nein, das nicht, und zwar so sehr, daß es auffallend erscheinen konnte. So geschmeichelt sich Jean davon fühlen, so dankbar erkenntlich er sich gegen Jacques Helloch zeigen mochte – stets bewahrte er ihm gegenüber die strengste Zurückhaltung, nicht weil der Sergeant Martial über das Gegentheil gemurrt hätte, sondern in Folge seines etwas schüchternen Charakters, der immer eine gewisse Furchtsamkeit verrieth.
Wenn später der Augenblick der Trennung kam, wenn Jean San-Fernando verließ, weil er seine Nachsuchungen weiter fortsetzen mußte, und wenn Jacques Helloch den Rückweg antrat, da würde diese Trennung Jean gewiß nahe gehen. Vielleicht sagte er sich dann, daß er sein Ziel besser erreicht hätte, wenn Jacques Helloch sein Führer gewesen wäre.
Er empfand schon eine tiefe Erregung, als er am Ende jenes Gespräches, dem er ein gar zu williges Ohr lieh, Jacques Helloch zu seinem Kameraden sagen hörte:
»Ueberdies, Germain, ist auch der junge Mann da, den der Zufall uns in den Weg geführt hat und für den ich mich nun einmal interessiere. Flößt er Dir denn nicht auch eine tiefere Theilnahme ein?
– Gewiß, Jacques!
– Je mehr ich darüber nachdenke, Germain, ob er recht daran gethan hat, dem kindlichen Gefühle zu folgen, das ihn auf diese Reise trieb, desto mehr beschleicht mich die Furcht, ihn bald so großen Schwierigkeiten und Gefahren begegnen zu sehen, daß er sie nicht wird besiegen können. Erhält er in San-Fernando weitere Auskunft, so wird er sich ohne Zweifel auch noch in die Gebiete des oberen Orinoco oder selbst in die des Rio Negro hinauswagen… gewiß, sobald er sich sagt: Dort weilt mein Vater!… wird er dahin gehen wollen. O, es wohnt eine mannhafte Seele in der Hülle dieses Kindes! Man braucht ihn nur zu beobachten, nur zu hören, so erkennt man, daß sein Pflichtgefühl sich bis zur Heldenmüthigkeit gesteigert hat. Meinst Du nicht auch, Germain?
– Ich theile ganz Deine Ansichten über den jungen Kermor, Jacques, und gewiß erschrickst Du mit Recht…
– Und wen hat er, ihn zu berathen, zu vertheidigen? fuhr Jacques Helloch fort. Einen alten Soldaten, der sicherlich für ihn in den Tod ginge. Doch ist das der Begleiter, dessen er bedarf?… Nein, Germain; und willst Du, daß ich rein von der Leber weg spreche?… Nun, es wäre wohl besser, daß das arme Kind in San-Fernando keinerlei Auskunft über seinen Vater erhielte.«
Hätte Jacques Helloch, als er so sprach, Jean beobachten können, so würde er gesehen haben, wie dieser emporschnellte, den Kopf in die Höhe warf, wie seine Augen erglühten und er darauf zusammenbrach, erdrückt von dem Gedanken, daß er seinen Zweck vielleicht doch verfehlte, daß er verurtheilt wäre, ohne den ersehnten Erfolg heimzukehren.
Nach dieser augenblicklichen Schwäche schöpfte er jedoch wieder Muth, als er Jacques Helloch hinzusetzen hörte:
»Doch nein… nein! Das wäre zu grausam für den armen Jean, und ich will immer noch lieber glauben, daß seine Nachforschungen von Erfolg gekrönt sein werden. Durch San-Fernando ist der Oberst von Kermor vor dreizehn Jahren zweifellos gekommen, dort wird Jean erfahren, was aus seinem Vater geworden ist. O, ich würde ihn herzlich gern begleiten!
– Ich begreife Dich, Jacques, ein Führer so wie Du wäre ihm vonnöthen gewesen, und nicht jener alte Brummbär, der ebensowenig sein Onkel ist, wie ich seine Tante bin. Bedenke jedoch, unsre Reiseroute kann nicht die seinige sein, und ohne von Nebenflüssen zu reden, die wir bei der Rückfahrt noch zu besuchen haben…
– Giebt es solche nicht auch oberhalb San-Fernandos? warf Jacques Helloch ein.
– Das wohl, ich kann Dir sogar einige recht sehenswerthe nennen, wie den Cunucunuma, den Cassiquiare, den Mavaca… damit würde uns unsre Fahrt aber bis zu den Quellen des Orinoco führen.
– Was schadete das, Germain? Die Untersuchung würde nur vollständiger werden, das
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