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Der stolze Orinoco

Der stolze Orinoco

Titel: Der stolze Orinoco Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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Strohhütten und seine Bewohnerschaft mochte zweihundert Köpfe zahlen.
    Bei ihrer Landung hätten Herr Miguel und seine Gefährten glauben können, daß es in Augustino weder Frauen noch Kinder gäbe.
    Das erklärte sich indeß damit, daß Frauen und Kinder, sobald sich die Nachricht von der Annäherung fremder Männer verbreitete, entsetzt nach den Wäldern entflohen waren.
    Dagegen erschien ein gut gewachsener Piaroa von etwa vierzig Jahren, kräftigem Körperbau, großer Schulterbreite und bekleidet mit dem üblichen Guayneo, das Haar, das ihm rückwärts auf die Schulter fiel, an der Stirn schon zur Kindeszeit abgesengt mit Ringen und Stricken unter den Knien und über den Knöcheln. Der Mann wandelte längs des Uferrandes hin und ihn begleiteten gegen zehn Indianer, die ihm einen gewissen Respect zu erweisen schienen.
    Es war der Capitan, der Häuptling des Dorfes, der den Platz für dessen Anlage an recht gesunder Stelle bestimmt hatte, wo Augustino von der gewöhnlichen Geißel des Uferlandes, den verwünschten, unerträglichen Muskitos frei blieb.
    Herr Miguel, dem die andern Passagiere folgten, ging auf den Capitan, der der venezuolanischen Sprache mächtig war, zu.
    »Ihr seid hier willkommen, Deine Freunde und Du, begann der Indianer, ihm die Hand bietend.
    – Wir sind nur für wenige Stunden hierher gekommen, antwortete Herr Miguel, und gedenken schon morgen mit Tagesanbruch weiter zu reisen.
    – Bis dahin, sagte der Piaroa, kannst Du in unsern Hütten, die Dir zur Verfügung stehen, ausruhen.
    – Nimm unsern Dank, Capitan, erwiderte Herr Miguel, wir werden Dir einen Besuch abstatten. Für eine einzige Nacht ist es für uns aber vortheilhafter, gleich an Bord der Falcas zu bleiben.
    – Wie es Dir beliebt!
    – Du bist der Häuptling dieses hübschen Dorfes? fuhr Herr Miguel, das Uferland hinansteigend, fort.
    – Ja… es ist zwar erst im Entstehen, doch es wird weiter gedeihen, wenn es den Schutz des Gouverneurs von San-Fernando findet. Ich glaube, es wird dem Präsidenten der Republik angenehm sein, am Orinoco noch ein Dorf mehr zu besitzen.
    – Wir werden ihm bei unsrer Rückkehr mittheilen, erklärte Herr Miguel, daß der Capitan…
    – Caribal, nannte der Indianer seinen Namen, und zwar mit demselben Stolz, als wenn es der eines Städtegründers oder Simon Bolivar’s selbst gewesen wäre.
    – Der Capitan Caribal, fuhr Herr Miguel fort, kann in San-Fernando gegenüber dem Gouverneur, wie in Caracas gegenüber dem Präsidenten, auf unsre guten Dienste rechnen.«
    In glücklicherer Weise und in freundlicherem Tone hätte man zu diesen Piaroas gar nicht in Beziehung treten können.
    Herr Miguel und seine Begleiter folgten den Indianern bis zu dem in Büchsenschußweite entfernten Dorfe.
    Jacques Helloch und sein Freund Jean gingen nebeneinander vor dem Sergeanten Martial her.
    »Ihr gewohnter Führer, das Buch unsers Landsmanns, lieber Jean, sagte Jacques, giebt Ihnen ohne Zweifel genaue Auskunft über diese Piaroas, so daß Sie von den Leuten jedenfalls mehr wissen, als wir.
    – Ich ersehe daraus, antwortete der junge Mann, daß diese Indianer sanften Charakters und dem Kriege abhold sein sollen. Die meiste Zeit leben sie in den entlegensten Wäldern des Orinocobeckens. Man möchte glauben, daß die Sippe hier eine neue Lebensweise am Stromufer zu beginnen beabsichtige.
    – Höchst wahrscheinlich, lieber Jean, und ihr geistig offenbar geweckter Capitan wird sie bestimmt haben, das Dorf an dieser Stelle zu gründen. Der venezuolanische Gouverneur hätte alle Ursache, derartige Unternehmungen zu unterstützen, und wenn einige Missionäre nach Augustino kämen, würden sich die Piaroas hier gewiß bald bis zur Stufe der civilisierten Indianer, der »Racionales«, wie man sie gewöhnlich nennt, erheben.
    – Missionäre, Herr Helloch, antwortete Jean, ja, solche muthige, opferbereite Männer würden unter diesen Indianerstämmen gewiß Erfolge erzielen. Ich habe mir immer vorgestellt, daß diese Apostel, die das sorglose Leben, dessen sie sich erfreuen könnten, aufgeben, auf die Freuden der Familie verzichten, die die Hingabe an ihren Beruf bis zur Aufopferung des Lebens treiben… daß gerade sie die edelste Mission zu Ehren der Menschheit erfüllen. Bedenken Sie, welche Erfolge – den Berichten nach – der Pater Esperante in Santa-Juana erzielt hat und wie sein Beispiel zur Nacheiferung mahnt!
    – Ja, gewiß, gewiß,« stimmte Jacques Helloch zu.
    Er war immer höchst erstaunt, bei dem

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