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Der stolze Orinoco

Der stolze Orinoco

Titel: Der stolze Orinoco Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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wäre Alles, und der Minister der öffentlichen Aufklärung hätte gewiß keine Ursache, sich darüber zu beklagen.
    – Der Minister… der Minister, Jacques! Du springst mit dem Großherrn der Universität um, wie es Dir grade paßt! Wenn nun Jean von Kermor seine Nachsuchungen nicht nach der Seite des Orinoco hin fortzusetzen hätte, wenn er sich durch die Ilanos von Columbia wagte, oder wenn er gar nach dem Becken des Rio Negro oder des Amazonenstromes hinunterginge, was dann?«…
    Jacques Helloch antwortete hierauf nicht, weil er nichts antworten konnte. Seine Reise bis zu den Quellen des Orinoco auszudehnen, das lag ja, streng genommen, noch innerhalb des Kreises seiner Mission, anders aber, wenn er das Becken des Stromes und Venezuela selbst verließ, um dem jungen Manne durch die Gebiete Columbias oder Brasiliens zu folgen.
    Auf der Nachbarpirogue hatte Jean, im Deckhause auf den Knien liegend, Alles mit angehört. Er wußte, welch innige Theilnahme er den beiden Reisegenossen einflößte, wußte aber auch, daß weder Jacques Helloch noch Germain Paterne an seine angebliche Verwandtschaft mit dem Sergeanten Martial glaubten. Worauf gründete sich dieser Zweifel und was würde sein alter Freund denken, wenn er es erführe?
    Und ohne sich zu fragen, was die Zukunft ihm in ihrem Schoße bewahrte und ob die Opferfreudigkeit Jacques Helloch’s ihm je zur Stütze und Hilfe werden würde, dankte er inbrünstig dem Himmel, daß er ihn diesen wackern und edelmüthigen Landsmann hatte treffen lassen.

Dreizehntes Capitel.
Achtung vor dem Tapir.
    Als die Reisenden am folgenden Morgen – am 21. September – den kleinen Hafen von Mataweni verließen, befanden sie sich nur noch dreiundeinhalb Tagereisen von San-Fernando entfernt. Erlitten sie keine außergewöhnliche Verzögerung, so mußten sie – selbst bei minder günstiger Witterung – ihr nächstes Ziel in jener kurzen Zeit erreicht haben.
    Die Fahrt wurde unter den gewöhnlichen Umständen wieder aufgenommen, unter Benutzung der Segel, wenn der Wind das zuließ, der Palancas und des Garapato, wenn die Piroguen sich das an den Strombiegungen vorhandene Stauwasser zunutze machten, oder endlich der Espilla, wenn die Stangen nicht ausreichten, die starke Strömung zu überwinden.
    Die Temperatur hielt sich immer sehr hoch. Langsam zogen gewitterhafte Wolken am Himmel hin und lösten sich wiederholt in lauwarme Regengüsse auf. Dann folgte meist ein so brennender Sonnenschein, daß man unter den Deckhäusern Schutz suchen mußte. Im Ganzen blieb der Wind schwach, unstät und genügte nicht, die Gluth des Luftmeeres zu mildern.
    Zahlreiche Rios ergossen sich, namentlich am linken Ufer, in den Strom – unbekannte Rios, deren Bett in der heißen Jahreszeit meist ganz trocken lag. Germain Paterne ließ sie übrigens ganz unbeachtet, und sie verdienten auch wirklich gar keinen Besuch der Geographen.
    Wiederholt begegnete man indianischen Canots, bemannt mit Piaroas, die gewöhnlich am rechten Ufer dieses Theiles des Orinoco umherschweifen.
    Die Indianer fuhren zutraulich an die Piroguen heran und boten ihre Dienste bei der ermüdenden Benutzung der Espilla an. Diese wurden ohne Zögern angenommen, und die Leute begnügten sich willig mit einer Abfindung in Gestalt von Stoffstücken, werthlosen Glaswaaren und Cigarren. Auch sie sind gewandte Stromschiffer, die bei der Fahrt über Stromschnellen gern herangezogen werden.
    In Begleitung eines halben Dutzend von Curiares legte die kleine Flottille bei dem Dorfe Augustino am rechten Ufer an. Chaffanjon erwähnt des Dorfes nicht, aus dem einfachen Grunde, weil es zu seiner Zeit überhaupt nicht bestand.
    Die genannten Indianer sind eigentlich nicht seßhaft. So wie ihr Rindenboot, in dem sie über den Strom gesetzt sind, ebenso verlassen sie auch die Hütten wieder, die sie in Zeltform für einige Tage errichtet hatten.
     

    Es war der Capitan, der Häuptling des Dorfes. (S. 178.)
     
    Es hatte jedoch den Anschein, als hätte das Dorf Augustino etwas mehr Aussicht auf längeren Bestand, wenn es auch erst unlängst erbaut war. Es nahm zunächst eine recht glücklich gewählte Stelle an einer Biegung des Orinoco ein. Vor ihm am Strande und hinter ihm bis zu mittelhohen, belaubten Cerros hin erhoben sich Hunderte von prächtigen Baumriesen. Links dehnte sich ein Kautschukbaumwald aus, aus dem die Gomeras große Mengen des werthvollen Federharzes gewannen.
    Das Dorf umfaßte etwa vierzig cylindrische oder cylindrisch-konische

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