Der stolze Orinoco
Namen gaben, bildeten einen alten Stamm, der jetzt freilich auf wenige Familien zusammengeschmolzen und in seinem Typus durch Blutkreuzung stark verändert war. Das am Fuße eines steil abfallenden, imposanten Granitufers gelegene Dorf zählt höchstens noch zehn Hütten.
Hier sollte sich also die kleine Truppe für einige Tage und unter Verhältnissen, die denen im Dorfe Atures auffallend glichen, einquartieren.
Das war übrigens das letztemal, wo die Reisenden, ehe sie in San-Fernando eintrafen, die Piroguen würden verlassen müssen. Bis zu der genannten Ortschaft hin ist der Orinoco nicht mehr durch Stromschnellen unterbrochen, die einerseits die Ausschiffung der Passagiere nebst allem Gepäck und andrerseits das Schleppen der Fahrzeuge über den felsigen, von schäumendem Wasser übertosten Grund nöthig gemacht hätten. Das Beste war es demnach, sich in Geduld zu fassen und nicht über diesen Zustand der Dinge unmuthig zu werden; so fügte man sich denn geduldig in diese neue Verzögerung, was der Sergeant Martial, der die Ankunft in San-Fernando mit brennendem Verlangen erwartete, auch sagen und brummen mochte.
Maipures war nicht der Ort, wo man sich hätte mit Ausflügen die Zeit vertreiben können, wie das auf den Ebenen um den Cerro Pintado der Fall gewesen war. Hier beschränkte man sich darauf, zu jagen und zu botanisieren. Der junge Mann, den der Sergeant Martial stets begleitete, bekundete ein lebhaftes Interesse an den wissenschaftlichen Spaziergängen Germain Paterne’s, während die Jäger für die täglichen Lebensbedürfnisse sorgten.
Das letztere war nützlich, sogar nothwendig, denn die in la Urbana und bei den früheren Jagden gesammelten Vorräthe gingen jedenfalls zu Ende, ohne daß sie hätten erneuert werden können, wenn noch eine unerwartete Verzögerung eintrat.
Von Maipures bis San-Fernando waren aber in Folge des unregelmäßigen Stromverlaufes wenigstens noch hundertdreißig bis hundertvierzig Kilometer zu rechnen.
Am Nachmittage des 18. Septembers kamen die drei Falcas endlich vor dem Dorfe an; sie hatten sich am linken Flußufer gehalten, wo auch dessen wenige Hütten standen. Seiner Lage nach gehört es nicht zu Venezuela, sondern zu Columbia. Nur der Leinpfad dieses Ufers bleibt vertragsmäßig bis 1911 neutraler Boden und wird erst von da ab columbisches Gebiet werden.
Man sieht, daß Valdez und seine Gefährten tüchtig bei der Arbeit gewesen waren, da sie das Raudal binnen fünf Tagen hatten überwinden können. Ohne den nächsten Tag abzuwarten, wurden die Piroguen wieder beladen und nahmen am frühen Morgen des 19. ihre Fahrt von neuem auf.
Den ganzen, sehr regnerischen Tag lang mußte sich die Flottille noch durch ein endloses Gewirr von Eilanden und Rissen, die die Wasserfläche überragten, hindurchwinden. Da jetzt der Wind von Westen wehte, unterstützte er auch nicht die Fortbewegung der Falcas, doch selbst ein Nordwind hätte diesen kaum genützt, da sie bei den gewundenen Fahrstraßen ihre Richtung so sehr häufig wechseln mußten.
Jenseits der Mündung des Sipopo befindet sich noch ein kleines Raudal, das von Sijuaumi, dessen Passage nur wenige Stunden erforderte, ohne daß eine Umladung nothwendig war.
In Folge der verschiedenen Hemmnisse der Fahrt konnten die Piroguen jedoch nicht bis über die Mündung des Rio Vichada hinauskommen, wo sie für die Nacht anlegten.
Die beiden Ufer des Stromes bieten hier einen auffallenden Contrast. Im Osten ist das Land mit schwachen Bodenwellen, regelmäßigen Bancos oder mäßigen Hügeln bedeckt, die sich an entfernter liegende Bergzüge anschließen, deren Kämme von der dem Untergange nahen Sonne die letzten Strahlen erhielten. Im Westen dagegen dehnen sich endlos scheinende Ebenen aus, bewässert von den dunkeln Fluthen des Vichada, der, aus den columbischen Ilanos hervorbrechend, dem Bette des Orinoco beträchtliche Wassermengen zuführt.
Vielleicht erwartete Jacques Helloch, daß die Herren Felipe und Varinas in einen Meinungsaustausch bezüglich des Vichada eintreten würden, denn dieser konnte mit demselben Rechte wie der Guaviare und der Atabapo als ein Hauptarm des Stromes betrachtet werden. Das geschah aber nicht. Die beiden Gegner waren nicht mehr weit entfernt von der Stelle, wo die von ihnen mit Vorliebe vertretenen Zuflüsse mündeten.
Jean hatte Alles mit angehört. (S. 173.)
An Ort und Stelle und vom Augenschein unterstützt, konnten sie dann ja noch genug streiten.
Der nächste Tag brachte
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