Der stolze Orinoco
ist, Sergeant!
– Ihn, den Sohn des Oberst…
– Der gar nicht sein Sohn ist… sondern seine Tochter… die einzige Tochter des Oberst von Kermor!«
Ende des ersten Bandes .
Zweiter Band.
Erstes Capitel.
Etwas aus früherer Zeit.
Am Morgen des 2. October gegen acht Uhr glitten die Piroguen »Gallinetta« und »Moriche« erst den die rechte Seite der Halbinsel des Atabapo begleitenden Flußarm hinunter und dann bei günstigem Nordwestwinde den Oberlauf des Orinoco hinauf Nach dem Gespräch zwischen dem Sergeanten Martial und Jacques Helloch am Abend vorher konnte der Erstere dem Zweiten nicht länger die Erlaubniß, sie – »seinen Neffen und ihn« – bis zur Mission von Santa-Juana zu begleiten, verweigern. Jetzt war das Geheimniß Jeanne von Kermor’s dem, der sie gerettet hatte, bekannt, und jedenfalls würde es – daran war kein Zweifel – auch Germain Paterne bald nicht mehr unbekannt sein. Offenbar mußte es schwierig werden, diese Mittheilung zu unterdrücken, ja es erschien sogar bei den Umständen, unter denen der zweite Theil der Reise vor sich gehen sollte, vortheilhafter, den Schleier zu lüften. Das bisher so sorgsam behütete Geheimniß würden die beiden jungen Männer den Herren Miguel, Felipe, Varinas und Mirabal gewiß ebenso wie dem Gouverneur der Provinz gegenüber zu bewahren wissen. Waren ihre Nachforschungen von Erfolg gekrönt, so blieb dem Oberst von Kermor die Freude vorbehalten, jenen seine Tochter vorzustellen.
Es wurde auch beschlossen, weder Valdez oder Parchal, noch einen von den Schiffsleuten über die letzten Vorgänge und Enthüllungen aufzuklären, und man konnte es nur billigen, daß der Sergeant Martial Jeanne für seinen Neffen Jean ausgegeben hatte in der Hoffnung, dadurch manche Schwierigkeiten eines solchen Zuges aus dem Wege zu räumen. Es war jedenfalls rathsam, von diesem klugen Verhalten nicht abzuweichen.
Nun male man sich die Verblüffung, die Niedergeschlagenheit und darauf den Ingrimm des alten Soldaten aus, als Jacques Helloch ihm eröffnete, daß er das Geheimniß durchschaut habe, daß er wisse, in Jean von Kermor Jeanne von Kermor vor sich zu haben! Doch nein, ein solcher Versuch wäre mindestens nutzlos, denn man würde das Richtige dabei doch nicht treffen.
Ebensowenig brauchen wir wohl die sehr natürliche Verlegenheit hervorzuheben, die sich des jungen Mädchens bemächtigte, als Jacques Helloch und Germain Paterne zum erstenmale wieder vor ihr standen. Beide wollten ihr ihre Hochachtung, ihre Ergebenheit zu erkennen geben und sie ihrer Verschwiegenheit versichern. Ihr entschlossener Charakter, der der gewöhnlichen Scheu ihres Geschlechtes überlegen war, gewann in ihr aber sehr bald wieder die Oberhand.
»Für Sie bleib’ ich Jean… immer nur Jean, sagte sie, den beiden Landsleuten die Hände entgegenstreckend.
– Stets, mein Fräulein, antwortete Germain Paterne mit einer Verbeugung.
– Jawohl… Jean… mein lieber Jean… versicherte Jacques Helloch, und bis zu dem Tage, wo wir Fräulein Jeanne von Kermor den Armen ihres Vaters wieder zugeführt haben!«
Es versteht sich von selbst, daß jetzt Germain Paterne keinen weiteren Einspruch gegen die Reise erheben zu dürfen glaubte, die bis zu den Quellen des Orinoco und vielleicht noch darüber hinaus ausgedehnt werden sollte.
Ihm persönlich kam das ja ganz gelegen; er bekam dadurch vielfache Gelegenheit, seine Sammlungen zu bereichern, daß er die Pflanzenwelt des obern Orinoco durchforschte. Das gestattete ihm auch, seine Mission als Naturforscher besser zu erfüllen, und der Minister der öffentlichen Aufklärung hätte sicherlich keine Ursache gehabt, sich über die Verlängerung der Reise mißbilligend zu äußern.
Was Jeanne von Kermor anging, konnte diese nur herzlich dankbar dafür sein, daß die beiden jungen Männer ihre Bemühungen mit den ihrigen vereinigen, sie bis zur Mission von Santa-Juana begleiten wollten und daß sie bereit waren, in ihrem Interesse allen Zufälligkeiten eines solchen Zuges die Stirn zu bieten, dadurch aber ihre Aussichten auf Erfolg zu vermehren. Ihr Herz floß auch über vor Erkenntlichkeit gegen den, der sie dem Tode entrissen hatte und während der ganzen Reise an ihrer Seite bleiben wollte.
»Mein alter, lieber Freund, sagte sie zu dem Sergeanten Martial, Gottes Wille geschehe!… Er weiß ja, was er thut…
– Eh’ ich ihm dafür danke, möcht’ ich freilich erst das Ende abwarten,« begnügte sich der alte Soldat zu antworten.
Dann
Weitere Kostenlose Bücher