Der stolze Orinoco
traurigen Stimmung, daß Germain Paterne darüber ordentlich erschrak. Sein Freund, der sonst so gern plauderte, so gleichmäßig heiter und mittheilsam war, antwortete kaum noch auf seine Fragen.
»Was hast Du denn? redete Germain Paterne ihn an.
– O… nichts.
– Nichts… das bedeutet zuweilen Alles. Ich gebe ja gern zu, daß die Lage des armen jungen Mannes recht betrübend ist; das ist für Dich aber doch kein Grund, Deine Mission gänzlich aus dem Auge zu verlieren.
– Meine Mission?
– Allerdings. Du bist doch nicht, ich mag das wenigstens nimmermehr glauben, von dem Minister der öffentlichen Aufklärung nach dem Orinoco geschickt worden, um hier nur den Oberst von Kermor wiederzufinden?
– Ja, warum denn nicht?
– Ich bitte Dich, Jacques, laß uns ernsthaft sprechen! Du bist so glücklich gewesen, den Sohn des Oberst retten zu können…
– Den Sohn! rief Jacques Helloch lebhafter. Ach ja… den Sohn!… Nun, Germain, vielleicht… ja, es wäre wohl besser gewesen, daß Jean umkam, wenn er seinen Vater doch nicht wiederfinden soll.
– Ich begreife Dich nicht, Jacques.
– Weil das Dinge sind, von denen Du nichts verstehst… von denen Du nichts verstehen kannst.
– Ich danke bestens!«
Germain Paterne nahm sich vor, seinen Gefährten nicht weiter auszuforschen, er fragte sich nur, was dessen immer wachsende Zuneigung zu dem jungen von Kermor eigentlich für Sinn habe.
Am folgenden Tage, als Jean mit dem Sergeanten Martial bei Herrn Mirabal erschien, wollte dieser in Begleitung Jacques Helloch’s ihn grade aufsuchen.
Nach gehaltener Umfrage bei den Bewohnern von San-Fernando hatte sich ergeben, daß ein Fremder vor einem Dutzend Jahren thatsächlich in dem Orte verweilt habe. Doch ob das ein Franzose gewesen war, konnte niemand sagen; auf jeden Fall schien er aber Ursache gehabt zu haben, ein strenges Incognito zu bewahren.
Jean glaubte hiermit in das Dunkel der geheimnißvollen Angelegenheit einen ersten Lichtstrahl fallen zu sehen. Ob man nun auf Ahnungen Gewicht legen darf oder nicht, ihm kam der Gedanke, daß dieser Fremde sein Vater gewesen sei… sein Vater gewesen sein müsse.
»Und weiß man auch, Herr Mirabal, fragte er, wohin sich jener Reisende bei seinem Weggange von hier gewendet hatte?
– Ja, mein Kind; er ist nach der Gegend des obern Orinoco weitergezogen.
– Und seitdem hat man nichts mehr von ihm gehört?
– Niemand weiß, was aus ihm geworden ist.
– Das ließe sich vielleicht auskundschaften, meinte Jacques Helloch, wenn man auf diesem Theile des Stromes Nachforschungen anstellte.
– Ja freilich, doch das wäre wohl ein zu gefahrvolles Unternehmen, bemerkte Herr Mirabal, und sich auf so schwachfüßige Anzeichen hin dem auszusetzen…«
Der Sergeant Martial gab durch eine Handbewegung zu erkennen, daß er die Anschauung des Herrn Mirabal theilte.
Jean selbst schwieg zwar dazu, doch in seiner entschlossenen Haltung, in dem Feuer, das aus seinen Augen strahlte, erkannte man den festen Entschluß, keine Hindernisse zu achten, die Reise, und wenn sie auch noch so gefahrvoll wäre, fortzusetzen und seine Pläne nicht aufzugeben, sondern bis zum Ende zu verfolgen.
Herr Mirabal verstand ihn sehr gut, als Jean zu ihm sagte:
»Ich danke Ihnen, Herr Mirabal, und auch Ihnen, Herr Helloch, für das, was Sie gethan haben. Ein Fremder ist hier zu der Zeit gesehen worden, wo mein Vater sich in San-Fernando befand, wo er einen Brief von hier abschickte…
– Gewiß; doch daraus schon schließen zu wollen, daß das der Oberst von Kermor gewesen sei… wendete der alte Herr ein.
– Warum das nicht? rief Jacques Helloch. Liegt nicht die Wahrscheinlichkeit vor, daß er es gewesen wäre?
– Kurz, da jener Fremde sich nach dem obern Orinoco begeben hat, erklärte Jean, werde ich ebenfalls dahin gehen!
– Jean… Jean! rief der Sergeant Martial, indem er auf den jungen Mann zueilte.
– Ich werde dahin gehen!« wiederholte Jean in einem Tone, der seinen unerschütterlichen Entschluß erkennen ließ.
Dann wandte er sich wieder an den Herrn des Hauses.
»Giebt es wohl am obern Orinoco Flecken oder Dörfer, wohin ich mich begeben könnte, um noch weitere Aufklärung zu erlangen, Herr Mirabal?
– Dörfer… ja… mehrere; zum Beispiel Guachapana, la Esmeralda und noch andre. Wenn es aber möglich ist, die Spuren Ihres Vaters wieder zu entdecken, liebes Kind, so wird das jenseits der Quellen, in der Mission von Santa-Juana der Fall sein.
– Wir haben von dieser
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