Der strahlende Tod
Schießerei verursachte, etwas gehört zu haben. Zimmermann nahm die MPi von der Schulter und entsicherte sie. Er riß ein Streichholz an, um sich zu orientieren. Als er die Tür gefunden hatte, die nach unten führte, blies er die kleine Flamme aus. Er war auf der Treppe. Er schloß die Augen und versuchte herauszuhören, von wo aus geschossen wurde. Vorsichtig ging er die Treppe hinunter. Er erreichte einen langen Flur. Unschlüssig stand er im Dunkeln, als plötzlich eine Tür aufgerissen wurde.
»Ben«, rief eine Stimme, »alles okay, Ben?«
»Alles klar, Will, ich passe schon auf!«
Zimmermann hatte sich hinter einem Treppenabsatz versteckt. Er wußte jetzt, wo die Männer waren, und daß sie einen Wachtposten an der Eingangstür hatten. Aber hatten sie keinen beim Hintereingang? Vielleicht besaß das Haus gar keinen Hintereingang. Ich muß es darauf ankommen lassen, dachte er, es bleibt mir nichts anderes übrig.
Er drückte sich an der Wand entlang und näherte sich dem Posten. Als er nur noch wenige Meter von ihm entfernt war, flüsterte er:
»Ben, komm doch mal her, wir haben hier einen erwischt, den kannst du verarzten!«
Der Mann kam näher. Zimmermann schlug ohne ein weiteres Wort zu. Der Mann taumelte. Zimmermann setzte sofort nach und schlug ihm den Lauf der MPi an den Kopf. Der Mann polterte zu Boden. Zimmermann lehnte sich schwer atmend an die Wand und wischte sich den Schweiß aus dem Gesicht. Als er die Hand zurücknahm, merkte er, daß er sich das Gesicht mit Blut verschmiert hatte.
Plötzlich brach die Schießerei ab. Zimmermann hörte aufgeregtes Geschrei. Zwischen den Männern im Zimmer und denen draußen entspann sich eine heftige Diskussion. Zimmermann bemühte sich verzweifelt, etwas zu verstehen, aber alles, was er vernahm, war ein aufgeregtes Hin- und Hergerufe.
Er wartete noch ein paar Minuten und dann entschloß er sich zum Handeln. Er wußte, daß es ein Vabanquespiel war, aber er hatte keine andere Möglichkeit.
Er ging leise zur Tür, lauschte einen Augenblick und riß sie dann mit einem Ruck auf.
Am Fenster standen sechs Männer. Einer schrie dauernd etwas heraus. Zimmermann jagte eine Geschoßgarbe an die Zimmerdecke und schrie:
»Stehenbleiben! Waffen fallen lassen!«
Die Männer fuhren herum.
Einer schoß sofort. Er traf Zimmermann in den linken Arm in der Nähe der Schulter. Zimmermann spürte einen glühenden Schmerz, aber er hatte noch die Kraft, den Abzug durchzuziehen.
Er erwischte sie alle.
Die Stille, die nun eintrat, war unerträglich. Zimmermann ging ans Fenster und sagte:
»Es ist vorbei, ihr könnt hereinkommen.«
Und seine Stimme kam ihm fremd vor. Es war ihm, als rede ein ganz anderer, als habe er selbst mit der ganzen Sache nichts zu tun.
Als er sich umdrehte, um hinauszugehen, sah er die Frau. Sie kauerte in einer Zimmerecke und hielt ein Kind in den Armen. Sie starrte ihn mit weitaufgerissenen Augen an.
Als Zimmermann auf sie zuging, wich sie unwillkürlich zurück.
»Kommen Sie«, sagte Zimmermann, »es ist vorbei. Sie brauchen keine Angst mehr zu haben.«
Die Frau stand auf und ging mit ihm hinaus. Als sie aus dem Haus traten, lief Mick auf ihn zu und umarmte ihn.
»Vielleicht ist es dumm«, sagte er stockend, »aber ich habe Angst gehabt, richtige Angst.«
»Ich auch«, sagte Zimmermann.
Er ging zu Smitty herüber.
»Wir können jetzt wohl wieder gehen«, sagte er, »hier nehmen Sie die Waffe, ich habe was abgekriegt.«
Er faßte mit der linken Hand zur Schulter. Seine Lederjacke war an dieser Stelle naß von Blut.
Buchanan trat auf sie zu.
»Wir kennen uns doch«, sagte er zu Smitty, »sind Sie nicht aus der Nachbarschaft?«
Smitty nickte.
»Wer ist denn hier nun eigentlich der Chef?«
Einen Augenblick war Schweigen, während alle gespannt zuhörten und zu ihnen herübersahen.
Dann zeigte Smitty mit der Hand auf Zimmermann und sagte langsam und mit fester Stimme:
»Der hier, der ist der Chef!«
»Soso«, sagte Buchanan, »dann ist der wohl neu, nicht? Ich erinnere mich doch noch an einen anderen.«
»Der hier ist der Chef«, sagte der alte Smitty, »der hier und kein anderer!«
»Sie haben uns einen sehr großen Dienst erwiesen«, sagte Buchanan zu Zimmermann, »kommen Sie, wir gehen in unseren Club, da werden Sie erst mal verarztet und dann trinken wir einen zusammen!«
*
Zimmermann nahm einen tiefen Zug aus dem Glas Whisky, das Buchanan vor ihn hingestellt hatte.
Er hustete, als er ihn hinuntergeschluckt
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