Der Strandlaeufer
schlagfertigen Art keine Antwort schuldig. Aber nicht zu lange, denn uns war als Jungverheirateten nach anderem zumute als nach oberflächlichem Zeitvertreib. Abends gab es in den oberen Räumen des Hauses Musik. Im Salon wurde getanzt, und meine Braut und ich haben dies an manchem Abend genutzt. Wir waren ein schmuckes Paar. Deine blonde Mutter in festlicher Abendrobe und ich, dunkelhaarig wie ein Italiener in dem blauen Uniformanzug der Deutschen Zeppelin-Reederei. Wir tanzten gut miteinander, und bald hielt man uns für ein bezahltes Tanzpaar der Hotelleitung. Gäste haben uns manchmal angesprochen, und ich kam mir vor wie der Bel Ami in dem Schlager ›Schöner Gigolo, armer Gigolo‹, dessen Text und Melodie mir heute noch mitunter durch den Kopf gehen.«
Ich wagte es, ihn zu unterbrechen. »Ich sehe alles vor mir, was du erzählst. Aber...«
»... was hat das alles mit dem Walfang zu tun, fragst du dich mit Recht, lieber Sohn. Nichts natürlich. Und doch stimmt das nicht ganz. Ich bin auf die Geschichte gekommen, weil ich von dem Hotel aus meine Weiterbeschäftigung suchen wollte. Nach dem Absturz des ›Hindenburg‹ in Lakehurst hatte die Deutsche Zeppelin-Reederei vorgeschlagen, dass wir Zeppeliner Angestellte bleiben, aber für die Zwischenzeit bis zur Ablieferung des neuen Schiffes LZ 130 möglichst selbst für eine bezahlte Beschäftigung sorgen sollten. Von Buchschlag aus hatte ich mich daher schon entsprechend bemüht, eine Anstellung als Schiffsoffizier bei einer deutschen Reederei zu bekommen. Mit geringem Erfolg, weil es damals ein Überangebot an Nautikern gab. Doch dann bot mir das Hamburger Walfangkontor eine Stellung als 3.Offizier und Funker auf dem Walfangmutterschiff ›Südmeer‹ an, einem umgebauten Kabelleger, der Anfang September auf die Reise in die Antarktis gehen sollte. Ich sagte zu und erhielt prompt die Weisung, mich im September auf der ›Südmeer‹ zu melden. Deine Mutter war mit diesem Entschluss zufrieden, obwohl ihr klar war, dass sie mich während der Walfangsaison lange entbehren musste. Ich war gespannt auf meinen neuen Job. Fett war knapp in Deutschland damals, und deshalb versuchte man mit Hilfe von Walöl die sogenannte Fettlücke zu schließen. Auf Initiative des Ministeriums für Ernährung und Wissenschaft waren daher in den frühen dreißiger Jahren verschiedene Walfanggesellschaften gegründet worden, die viele Schiffe entweder bauten oder im Ausland kauften. Darunter die ›C.A.Larsen‹. Sie wurde in Walfängerkreisen auch ›Frau Larsen‹ genannt, weil dieses Schiff entgegen der üblichen Bauweise die Aufschleppe, also das Loch, im Vorsteven hatte.«
Ich starrte meinen Vater verblüfft an. Sexualität spielte in seinem Ausdrucksrepertoire gewöhnlich keine Rolle. Er fuhr fort in seinem für ihn typischen ruhigen, fließenden Chronistenton, der auf mich wirkte wie die Stimme eines Hypnotiseurs.
»Es war eine ganz andere Welt, die ich auf dieser Walmördermaschine betrat. Einen größeren Unterschied zur Eleganz der Luftschifffahrt konnte man sich nicht vorstellen. Als ich an Bord der ›Südmeer‹ kam, war es jedoch auch wie eine Heimkehr, als hätte ich eben eine Reise als Matrose beendet. Solange wir noch im Trockendock lagen, durfte ich meine Frau öfter an Bord kommen lassen, was zu der Zeit durchaus keine Selbstverständlichkeit war. Deine Mutter richtete liebevoll meine Kammer her, die anfangs in keinem guten Zustand war. Sie lag im hinteren Teil des Mittschiffs-Aufbaus direkt unter den großen starken Walwinden. Dass diese einen unheimlichen Krach machten, wenn sie in Tätigkeit gesetzt wurden, merkte ich erst viel später auf dem Fangfeld. Erst einmal störte uns etwas anderes, und zwar der penetrante Geruch von getrocknetem Walblut, das im Laufe der Zeit durch die Kalfaterung der Holzplanken gedrungen war. Außerdem gingen zwei mächtige Ventilatorenrohre durch die Kammer, die erschwerten, dass man eine gemütliche Einheit herstellen konnte. Aber was sollte es. Wir machten das Beste daraus und jammerten nicht, sondern waren im Gegenteil froh, dass ich einen lohnenden Job gefunden hatte. Allzu schnell waren die schönen Tage zu Ende. Am 27. 9. war ich wieder allein. Deine Mutter war zurück in ihr Elternhaus gefahren. Es war noch viel zu tun an Bord, und die Tage bis zu unserer Ausfahrt vergingen schnell. Mit meiner Frau verband mich nun ein eifriger Briefwechsel und manches Telefonat. Wir waren ja noch nahe
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