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Der Streik

Der Streik

Titel: Der Streik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ayn Rand
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befand. Der Monatsbericht von Quentin Daniels lag auf ihrem Tisch. Sie konnte noch nicht mit Sicherheit sagen, ob Daniels das Geheimnis des Motors lüften würde; aber der Zerstörer, dachte sie, bewegte sich rasch und sicheren Schrittes, der immer schneller wurde. Sie fragte sich, ob bis zu dem Zeitpunkt, da sie den Motor nachgebaut haben würde, überhaupt noch eine Welt übrig wäre, die ihn nutzen konnte.
    Sie hatte Quentin Daniels von dem Augenblick an, als er zum Vorstellungsgespräch ihr Büro betrat, gemocht. Er war ein hoch aufgeschossener Mann Anfang dreißig mit einem gewöhnlichen, kantigen Gesicht und einem anziehenden Lächeln. Eine Spur dieses Lächelns lag immer in seinem Gesicht, insbesondere wenn er zuhörte; es war ein Ausdruck von gutmütiger Heiterkeit, mit der er rasch und geduldig alles Irrelevante in den Worten, die er hörte, verwarf und bereits einen Augenblick vor dem Sprecher beim Kern der Sache angelangt war.
    „Warum wollten Sie nicht für Dr. Stadler arbeiten?“, fragte sie.
    Sein angedeutetes Lächeln wurde breiter und eindeutiger; anders als so konnte er sein Gefühl nicht zeigen, dieses Gefühl war Ärger. Aber er antwortete in ruhigem, gelassenem Ton: „Wissen Sie, Dr. Stadler hat einmal gesagt, das erste Wort bei ‚freie wissenschaftliche Forschung‘ sei redundant. Er scheint das vergessen zu haben. Ich sage nur, dass ‚staatliche wissenschaftliche Forschung‘ einen Widerspruch in sich darstellt.
    Sie fragte ihn, welche Stelle er am Utah Institute of Technology innehatte. „Nachtwächter“, antwortete er. „Wie bitte?“ , fragte sie ungläubig. „Nachtwächter“, wiederholte er höflich, als hätte sie nicht gehört, was er gesagt hatte, als gäbe es keinen Grund, darüber erstaunt zu sein.
    Im Verlauf des Gespräches erklärte er ihr, er schätze keine der noch bestehenden wissenschaftlichen Stiftungen, er hätte gerne eine Stelle im Forschungslabor eines großen Industriekonzerns gehabt: „Aber welcher von ihnen kann es sich heute noch leisten, irgendwelche langfristigen Projekte in Angriff zu nehmen, und warum sollten sie auch?“ Und so war er, als das Utah Institute of Technology aus Geldmangel geschlossen wurde, als Nachtwächter und einziger Bewohner des Gebäudes dort geblieben. Sein Gehalt hatte für seinen Lebensunterhalt ausgereicht – und er konnte das intakte Labor des Instituts für seinen privaten Gebrauch ungestört nutzen.
    „Sie betreiben also Forschung auf eigene Faust?“
    „Das ist richtig.“
    „Zu welchem Zweck?“
    „Zu meinem Vergnügen.“
    „Was gedenken Sie zu tun, wenn Sie etwas von wissenschaftlicher Bedeutung oder kommerziellem Wert entdecken? Würden Sie es der Öffentlichkeit zur Verfügung stellen?“
    „Ich weiß es nicht. Ich glaube nicht.“
    „Ist es Ihnen kein Anliegen, der Menschheit einen Dienst zu erweisen?“
    „Diese Sprache spreche ich nicht, Miss Taggart. Und Sie auch nicht, glaube ich.“
    Sie lachte. „Ich glaube, Sie und ich werden gut miteinander auskommen.“
    „Das werden wir.“
    Als sie ihm die Geschichte des Motors erzählt und er das Manuskript studiert hatte, gab er keinen Kommentar dazu ab, sondern sagte nur, er werde den Job annehmen, egal unter welchen Bedingungen.
    Sie bat ihn, seine eigenen Bedingungen zu nennen. Erstaunt protestierte sie gegen das niedrige monatliche Gehalt, das er forderte. „Miss Taggart“, sagte er, „wenn es etwas gibt, das ich nicht annehme, dann das, für nichts etwas zu bekommen. Ich weiß nicht, wie lange Sie mich unter Umständen werden bezahlen müssen und ob Sie je etwas für Ihr Geld bekommen. Ich verlasse mich auf meinen eigenen Verstand. Aber ich werde nicht zulassen, dass jemand anders das tut. Ich lasse mich nicht für eine gute Absicht bezahlen. Aber ich habe sehr wohl vor, mich für die gelieferte Ware bezahlen zu lassen. Wenn ich Erfolg habe, werde ich Sie gehörig ausnehmen, denn dann will ich einen Gewinnanteil, und zwar einen hohen, aber es wird sich trotzdem für Sie auszahlen.“
    Als er ihr den Prozentsatz für seinen Anteil nannte, lachte sie. „Sie nehmen mich tatsächlich aus, aber es wird sich für mich auszahlen. Einverstanden.“
    Sie einigten sich darauf, dass es ihr privates Projekt sein würde und er ihr privater Angestellter; keiner von beiden wollte sich mit der Taggart-Forschungsabteilung auseinandersetzen müssen. Er bat darum, in Utah bleiben zu dürfen, auf seiner Stelle als Nachtwächter, wo er die Laborausstattung und Ruhe vorfand,

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