Der Streik
ich weiß es nicht. Sie alle jammern über steigende Kosten, das scheint die heutzutage übliche Beschwerde zu sein, es ist das gewöhnliche Geheul von Leuten, deren Gewinne etwas unter Druck geraten. Ich weiß es nicht, wir werden sehen, wir werden entscheiden müssen, ob wir Sie Gewinne machen lassen oder nicht.“
Rearden blickte zu Francisco – und sah einen Gesichtsausdruck, von dem er niemals gedacht hätte, dass die Reinheit eines einzigen Zieles ihn auf dem Gesicht eines Menschen würde hervorbringen können: Es war das unbarmherzigste Gesicht, das man sich vorstellen konnte. Er hatte sich selbst für rücksichtslos gehalten, aber er wusste, er konnte diesen ruhigen, nackten, entschlossenen Ausdruck nicht erreichen, der für alle Gefühle außer Gerechtigkeit unempfänglich war. Was auch immer er im Übrigen war, dachte Rearden, der Mensch der dazu fähig war, war ein Gigant.
Es war nur ein Augenblick. Francisco wandte sich mit seinem gewöhnlichen Gesichtsausdruck zu ihm um und sagte sehr leise: „Ich habe meine Meinung geändert, Mr. Rearden. Ich bin froh, dass Sie zu dieser Gesellschaft gekommen sind. Ich möchte, dass Sie das sehen.“
Dann sagte Francisco plötzlich mit lauterer Stimme in dem vergnügten, unbeschwerten, durchdringenden Ton eines durch und durch unverantwortlichen Mannes: „Sie wollen mir diesen Kredit nicht geben, Mr. Rearden? Das bringt mich in eine furchtbare Lage. Ich muss das Geld bekommen. Ich brauche es noch heute Abend … ich brauche es, bevor die Börse morgen früh öffnet, denn sonst …“
Er brauchte nicht weiterzusprechen, denn der kleine Mann mit dem Schnurrbart fasste ihn am Arm.
Rearden hätte nie geglaubt, dass man zusehen konnte, wie sich die Ausdehnungen eines menschlichen Körpers veränderten, aber er sah, wie das Gewicht, die Haltung, die Form des Mannes zusammenschrumpften, als wäre die Luft aus ihm herausgelassen worden, und aus einem arroganten Herrscher wurde plötzlich ein Häufchen Elend, das für niemanden mehr eine Bedrohung darstellen konnte.
„Ist … ist etwas nicht in Ordnung, Señor d’Anconia? Ich meine an … an der Börse?“
Francisco riss mit einem erschrockenen Blick den Zeigefinger an seine Lippen. „Seien Sie still“, flüsterte er. „Um Himmels willen, seien Sie still!“
Der Mann zitterte. „Also ist etwas … nicht in Ordnung?“
„Sie besitzen nicht zufällig Aktien von D’Anconia Copper, oder?“ Der Mann nickte, er war nicht in der Lage zu sprechen. „Meine Güte, das ist zu ärgerlich! Also, hören Sie zu, ich werde es Ihnen sagen, wenn Sie mir Ihr Ehrenwort geben, es niemandem weiterzusagen. Sie wollen doch keine Panik auslösen.“
„Ehrenwort …“, keuchte der Mann.
„Sie sollten besser schleunigst zu Ihrem Börsenmakler laufen und so schnell Sie können verkaufen – die Dinge sind für D’Anconia Copper nicht so gut gelaufen. Ich versuche noch etwas Geld aufzutreiben, aber wenn es mir nicht gelingt, können Sie morgen früh froh sein, wenn Ihnen von einem Dollar noch zehn Cent bleiben. Meine Güte, ich habe vergessen, dass Sie Ihren Börsenmakler vor morgen früh ja gar nicht erreichen können … das ist ein Pech, aber …“
Der Mann rannte quer durch den Raum und stieß die Menschen beiseite wie ein Torpedo, der in die Menge abgefeuert wurde.
„Passen Sie auf“, sagte Francisco ernst, während er sich Rearden zuwandte.
Der Mann war in der Menge verschwunden. Sie konnten ihn weder sehen noch sagen, wem er sein Geheimnis weiterverkaufte oder ob er noch schlau genug war, um daraus ein Geschäft mit denen, von deren Gunst er abhängig war, zu machen – aber sie sahen das Kielwasser seiner Bewegung, das sich durch den Saal zog; die plötzlichen Einschnitte, die die Menge teilten wie die ersten paar Risse, die kurz vor dem Zusammenbrechen durch eine Mauer verlaufen und sich dann rasch verzweigen; die leeren Schneisen, die nicht von Menschenhand geschlagen wurden, sondern durch dem namenlosen Atem des Schreckens.
Stimmen verstummten plötzlich, Stille breitete sich aus, dann waren Laute verschiedener Art zu hören; der zunehmend hysterische Tonfall der immer wieder vergeblich gestellten Fragen, das künstliche Geflüster, der Aufschrei einer Frau, vereinzeltes erzwungenes Gelächter derjenigen, die immer noch versuchten so zu tun, als wäre nichts geschehen.
In der Bewegung der Menge sah man unbewegte Punkte, die sich wie eine Lähmung ausbreiteten; plötzlich stand alles still, als wäre ein Motor
Weitere Kostenlose Bücher