Der Streik
„Das wäre nicht richtig – ich bin nur selbstsüchtig.“
„Ach was, zum Teufel mit diesem Unsinn. Sie wissen, dass das nicht wahr ist!“
„Ich weiß nicht …“ Seine Stimme klang sehr müde. „Ich habe hier gesessen und versucht, darüber nachzudenken … Ich weiß nicht mehr, was richtig ist. …“ Und er fügte hinzu: „Ich glaube, es ist mir egal.“
Plötzlich wurde ihr klar, dass alle weiteren Worte zwecklos waren und dass Dan Conway niemals wieder ein Mann der Tat werden würde. Sie wusste nicht, was sie so sicher machte. Sie sagte erstaunt: „Sie haben sich bisher noch nie in einem Kampf geschlagen gegeben.“
„Nein, wohl nicht. …“ Er sprach die Worte mit stiller, gleichgültiger Verwunderung. „Ich habe gegen Stürme und Überschwemmungen, Lawinen und Schienenbrüche gekämpft. … Ich wusste, wie, und ich hab es gerne getan. … Aber diese Art von Kampf – kann ich nicht aufnehmen.“
„Warum?“
„Ich weiß nicht. Wer weiß schon, warum die Welt ist, wie sie ist? Ach, wer ist John Galt?“
Sie zuckte zusammen. „Was werden Sie tun?“
„Ich weiß nicht …“
„Ich meine …“ Sie unterbrach sich.
Er wusste, was sie meinte. „Ach, es gibt immer etwas zu tun. …“ Er sprach ohne Überzeugung. „Ich glaube, sie werden nur Colorado und New Mexico zu beschränkten Zonen erklären. Ich habe immer noch die Strecke in Arizona.“ Er fügte hinzu: „So wie damals, vor zwanzig Jahren … Na ja, das wird mich beschäftigen. Ich werde langsam müde, Dagny. Ich habe keine Zeit gehabt, es zu merken, aber ich glaube, es ist so.“
Sie konnte nichts sagen.
„Ich werde keine Eisenbahntrasse durch eines ihrer verödeten Gebiete bauen“, sagte er mit derselben gleichgültigen Stimme. „Das ist, was sie mir als Trostpreis hinzuwerfen versuchten, aber ich glaube, das ist nur Gerede. Man kann keine Eisenbahn in einer Gegend bauen, wo es über Hunderte von Meilen nichts gibt als eine Handvoll Farmer, die nicht einmal genug produzieren, um sich selbst zu ernähren. Dort kann man keine Eisenbahn bauen, die sich rechnet. Und wenn sie sich nicht rechnet, wer soll dann dafür bezahlen? Für mich ist das Unsinn. Sie wussten einfach nicht, was sie sagten.“
„Ach, zum Teufel mit ihren verödeten Gebieten. Um Sie mache ich mir Sorgen!“ Sie musste es ansprechen. „Was werden Sie mit sich anfangen?“
„Ich weiß nicht … Na ja, es gibt da viele Dinge, für die ich nie Zeit hatte. Angeln, zum Beispiel. Ich habe immer gerne geangelt. Vielleicht fange ich an, Bücher zu lesen, das wollte ich schon lange. Ich glaube, ich werde es ab jetzt ruhig angehen. Ich glaube, ich werde angeln gehen. Unten in Arizona gibt es ein paar schöne Plätze, wo es ruhig und friedlich ist und wo man meilenweit keine Menschenseele sieht. …“ Er sah zu ihr auf und fügte hinzu: „Ach, vergessen Sie’s. Warum sollten Sie sich um mich Sorgen machen?“
„Es geht mir nicht um Sie, es ist … Dan“, sagte sie plötzlich, „Ich hoffe, Sie wissen, dass ich Ihnen nicht Ihretwegen helfen wollte zu kämpfen.“
Er lächelte. Es war ein kraftloses, freundliches Lächeln. „Ich weiß“, sagte er.
„Es ist nicht aus Mitleid, Wohltätigkeit oder einem ähnlichen hässlichen Grund. Sehen Sie, ich wollte Ihnen die Schlacht Ihres Lebens liefern, unten in Colorado. Ich wollte mich in Ihr Geschäft drängen, Sie an die Wand drücken und Sie verjagen, wenn nötig.“
Er lachte kurz auf, ein Zeichen seiner Wertschätzung. „Und sie hätten sich bei dem Vorhaben sicher auch noch gut angestellt“, sagte er.
„Ich glaubte nur, dass es nicht notwendig sei. Ich dachte immer, dass dort unten genug Platz für uns beide wäre.“
„Ja“, stimmte er ihr zu. „Das wäre es.“
„Trotzdem, wenn sich herausgestellt hätte, dass nicht genug Platz ist, hätte ich Sie bekämpft, und wenn ich Ihre Eisenbahn mit meiner übertroffen hätte, hätte ich Sie ruiniert und mich nicht einen Dreck darum gekümmert, was mit Ihnen passiert. Aber das … Dan, ich glaube nicht, dass ich jetzt unsere Rio-Norte-Trasse auch nur sehen will. Ich … Mein Gott, Dan, ich möchte kein Plünderer sein!“
Er sah sie einen Moment lang schweigend an. Es war ein seltsamer Blick, wie aus einer großen Entfernung. Mit sanfter Stimme sagte er: „Sie hätten hundert Jahre früher auf die Welt kommen sollen, mein Kind. Dann hätten Sie eine Chance gehabt.“
„Zum Teufel damit! Ich habe vor, mir meine eigene Chance zu verschaffen.“
„Das
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