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Der Streik

Der Streik

Titel: Der Streik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ayn Rand
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Verwaltungsrat gehört. Sie hatte amüsiert und verächtlich mit den Schultern gezuckt. Wenn es seinem Zweck diente – was auch immer dieser Zweck war –, ihre Leistungen für sich zu beanspruchen, dann würde er ihr zumindest zu seinem eigenen Vorteil, wenn schon nicht aus anderen Gründen, von nun an freie Hand lassen.
    „Du glaubst wohl, du bist die Einzige, die etwas für diese Eisenbahn tut?“
    Sie sah ihn verwundert an. Seine Stimme klang schrill. Er stand angespannt vor Aufregung vor ihrem Schreibtisch.
    „Du glaubst wohl, dass ich die Firma ruiniert habe, nicht wahr?“, schrie er. „Und jetzt bist du die Einzige, die uns noch retten kann. Du denkst, ich wüsste keinen Weg, um die Verluste von Mexiko wieder gutzumachen?“
    Sie fragte ruhig: „Was willst du?“
    „Ich will dir ein paar Neuigkeiten erzählen. Erinnerst du dich an den Anti-Wettbewerb-Vorschlag der Eisenbahnvereinigung, von dem ich dir vor Monaten erzählt habe? Dir hat die Idee nicht gefallen. Sie hat dir überhaupt nicht gefallen.“
    „Ich erinnere mich. Was ist damit?“
    „Es ist durch.“
    „Was ist durch?“
    „Das Anti-Wettbewerb-Abkommen. Erst vor ein paar Minuten. Bei der Versammlung. Heute in neun Monaten wird es in Colorado keine Phoenix-Durango Railroad mehr geben!“
    Ein gläserner Aschenbecher fiel zu Boden, als sie von ihrem Sessel aufsprang.
    „Ihr korrupten Mistkerle!“
    Er stand regungslos da. Er lächelte.
    Sie wusste, dass sie zitterte, dass sie ungeschützt vor ihm stand, ohne Deckung, und dass es dieser Anblick war, den er genoss, aber es war ihr egal. Dann sah sie sein Lächeln, und der blinde Zorn verschwand plötzlich. Sie fühlte nichts. Sie erforschte sein Lächeln mit kalter, unpersönlicher Neugier.
    Sie standen einander gegenüber. Er sah aus, als hätte er zum ersten Mal keine Angst vor ihr. Er triumphierte. Dieses Ereignis bedeutete ihm viel mehr als nur die Vernichtung eines Rivalen. Es war kein Sieg über Dan Conway, sondern über sie. Sie wusste nicht, warum oder auf welche Weise, aber sie war sicher, dass er es wusste.
    Einen kurzen Augenblick lang dachte sie, dass hier, direkt vor ihr, in James Taggart und dem, was ihn zum Lächeln brachte, ein Geheimnis lag, das sie nie vermutet hatte, und dass es außerordentlich wichtig für sie war, es aufzuklären. Doch der Gedanke flackerte nur kurz auf und verschwand wieder.
    Sie drehte sich zu einem Garderobenschrank um und griff nach ihrem Mantel.
    „Wo willst du hin?“ Taggarts Stimme war leiser geworden, sie klang enttäuscht und etwas besorgt.
    Sie antwortete nicht und eilte aus dem Büro.
    *
    „Dan, Sie müssen gegen sie ankämpfen. Ich werde Ihnen helfen. Ich werde mit allem, was ich habe, für Sie kämpfen.“
    Dan Conway schüttelte den Kopf.
    Er saß an seinem Schreibtisch, vor ihm ausgebreitet lag eine verblasste, leere Schreibunterlage, in einer Ecke des Raumes brannte eine trübe Lampe. Dagny war ohne Umwege in das Stadtbüro der Phoenix-Durango gehastet. Conway war da, und er saß immer noch genauso da, wie sie ihn angetroffen hatte. Als sie eingetreten war, hatte er sie angelächelt und gesagt: „Komisch, ich wusste, dass Sie kommen würden.“ Seine Stimme klang sanft und leblos. Sie kannten einander nicht besonders gut, hatten sich aber einige Male in Colorado getroffen.
    „Nein“, sagte er, „es hat keinen Sinn.“
    „Meinen Sie wegen des Abkommens der Eisenbahnvereinigung, das Sie unterzeichnet haben? Es wird nicht halten. Das ist schlichtweg Enteignung. Kein Gericht wird das durchgehen lassen. Und wenn Jim versucht, sich hinter den üblichen Plünderersprüchen von ,Gemeinwohl‘ zu verstecken, gehe ich in den Zeugenstand und beschwöre, dass Taggart Transcontinental nicht allein den gesamten Schienenverkehr von Colorado bewältigen kann. Und wenn irgendein Gericht gegen Sie entscheidet, können Sie in die Berufung gehen und in den nächsten zehn Jahren immer wieder Berufung einlegen.“
    „Ja“, sagte er, „könnte ich … Ich bin nicht sicher, ob ich gewinnen würde, aber ich könnte es versuchen und noch ein paar Jahre lang an meiner Eisenbahn festhalten, aber … Nein, es sind nicht die rechtlichen Aspekte, über die ich nachdenke, in keiner Weise. Das ist es nicht.“
    „Was ist es dann?“
    „Ich möchte nicht kämpfen, Dagny.“
    Sie sah ihn ungläubig an. Diesen Satz, davon war sie überzeugt, hatte er nie zuvor gesagt. Kein Mensch konnte so spät im Leben seinen Charakter völlig verändern.
    Dan Conway ging auf

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