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Der Streik

Der Streik

Titel: Der Streik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ayn Rand
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Eisenbahngesellschaften um Transportgüter stritten, die kaum für eine reichten. Man sagte, es gebe in den verödeten Gegenden ausreichend Möglichkeiten für junge Eisenbahngesellschaften. Auch wenn solche Gebiete zurzeit wenig wirtschaftlichen Anreiz böten, werde eine Eisenbahngesellschaft mit Gemeinsinn, so sagte man, Verkehrsmittel für die leidgeprüfte Bevölkerung bereitstellen, denn der primäre Zweck einer Eisenbahn sei der Dienst an der Öffentlichkeit und nicht der Gewinn.
    Dann sagte man, dass große, alteingesessene Eisenbahnnetze essenziell für das Gemeinwohl seien und dass ein Zusammenbruch eines solchen Unternehmens eine nationale Katastrophe darstelle und dass, wenn eines dieser Unternehmen aufgrund eines dem Gemeinwohl gewidmeten Versuchs, zum internationalen Wohlwollen beizutragen, vernichtende Verluste hinnehmen müsse, es das Recht auf öffentliche Unterstützung habe, die ihm helfe, den Schlag zu überstehen.
    Keine Eisenbahngesellschaft wurde beim Namen genannt. Aber als der Vorsitzende als feierliches Zeichen, dass nun abgestimmt werden sollte, seine Hand hob, blickten alle zu Dan Conway, dem Präsidenten der Phoenix-Durango.
    Lediglich fünf Abweichler stimmten dagegen. Und doch gab es, als der Vorsitzende verkündete, die Maßnahme sei angenommen worden, kein Jubelgeschrei, keinen Beifall, keine Bewegung, nichts als eine drückende Stille. Bis zum letzten Moment hatte jeder Einzelne von ihnen gehofft, dass jemand sie davor retten würde.
    Das Anti-Wettbewerb-Abkommen wurde als Maßnahme der „freiwilligen Selbstregulierung“ beschrieben, mit der längst verabschiedete staatliche Vorschriften „besser durchgesetzt“ werden sollten. Das Abkommen besagte, dass es den Mitgliedern der Nationalen Eisenbahnvereinigung untersagt sei, miteinander in einen sogenannten „vernichtenden Wettbewerb“ zu treten; dass in Zonen, in denen der Zugverkehr beschränkt werden sollte, nicht mehr als eine Eisenbahngesellschaft operieren dürfe; dass in solchen Zonen die ältesten dort agierenden Eisenbahnen Vorrang hätten und dass die Neulinge, die auf unfaire Weise in dieses Gebiet eingedrungen seien, innerhalb von neun Monaten ab der entsprechenden Aufforderung ihre Tätigkeit dort einstellen würden; dass der Vorstand der Nationalen Eisenbahnvereinigung ermächtigt sei, nach eigenem Ermessen zu entscheiden, welche Zonen als beschränkt eingestuft werden sollten.
    Als die Sitzung geschlossen war, beeilte sich jeder aufzubrechen. Es fanden keine privaten Diskussionen statt, kein freundschaftlicher Austausch. Der große Saal leerte sich in ungewohnter Eile. Niemand sprach mit Dan Conway oder sah ihn an.
    In der Eingangshalle des Gebäudes traf James Taggart Orren Boyle. Sie hatten sich nicht verabredet, aber Taggart sah eine massige Gestalt vor einer marmornen Wand stehen und wusste, wer es war, noch bevor er das Gesicht erkennen konnte. Sie gingen aufeinander zu, und Boyle sagte mit einem weniger sanften Lächeln als sonst: „Ich habe meinen Teil erfüllt. Jetzt sind Sie dran, Jimmie.“
    „Sie hätten nicht herkommen müssen. Warum sind Sie hier?“, fragte Taggart mürrisch.
    „Ach, nur so zum Spaß“, erwiderte Boyle.
    Dan Conway saß alleine zwischen den leeren Stuhlreihen. Er war immer noch da, als die Putzfrau kam, um den Saal sauber zu machen. Als sie ihn ansprach, erhob er sich folgsam und schlurfte in Richtung Tür. Als er im Mittelgang an ihr vorbeikam, wühlte er in seiner Hosentasche und hielt ihr einen Fünfdollarschein hin, wortlos, demütig und ohne ihr ins Gesicht zu sehen. Er schien nicht zu wissen, was er tat. Er benahm sich, als meinte er, sich an einem Ort zu befinden, wo die Großzügigkeit es verlangte, ein Trinkgeld zu geben, bevor er ging.
    Dagny saß immer noch an ihrem Schreibtisch, als die Tür aufflog und James Taggart hereinstürmte. Es war das erste Mal, dass er auf diese Weise ihr Büro betrat. Sein Gesicht glühte.
    Sie hatte ihn seit der Verstaatlichung der San-Sebastián-Linie nicht mehr gesehen. Er hatte nicht versucht, mit ihr darüber zu diskutieren, und sie hatte sich nicht dazu geäußert. Sie hatte so offensichtlich Recht behalten, dass jeder Kommentar überflüssig war. Zum Teil aus Höflichkeit, zum Teil aus Mitleid hatte sie darauf verzichtet, ihm die Konsequenz darzulegen, die aus den Ereignissen zu ziehen war. Aller Vernunft nach und im Sinne der Gerechtigkeit gab es nur eine mögliche Konsequenz, die er ziehen konnte. Sie hatte von seiner Rede vor dem

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