Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Streik

Der Streik

Titel: Der Streik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ayn Rand
Vom Netzwerk:
ein!“, und wedelte dabei mit einem Bündel Papier wie mit einem Kommandostab in Richtung der angestrahlten Sessel.
    Mr. Thompson ließ sich auf den mittleren Sessel fallen, als ginge es darum, einen freien Sitz in einer Untergrundbahn zu ergattern.
    Chick Morrisons Gehilfen trieben die Anwesenden wie eine Schafherde in den Lichtkreis.
    „Eine glückliche Familie“, erklärte Chick Morrison. „Das Land muss uns als große, geeinte, glückliche … Was ist mit dem Ding los?“ Mitten in einer brausenden Tonfolge war die Musik in dem kurzen Rauschen einer statischen Störung erstickt und hatte ausgesetzt. Es war 19 Uhr 51. Er zuckte mit den Schultern und fuhr fort: „… glückliche Familie erleben. Beeilt euch, Jungs. Macht zuerst Nahaufnahmen von Mr. Thompson.“
    Der Zeiger der Wanduhr rückte Minute um Minute vor, während die Pressefotografen den verdrießlichen, ungeduldigen Gesichtsausdruck von Mr. Thompson ablichteten.
    „Mr. Thompson wird zwischen der Wissenschaft und der Industrie sitzen!“, ordnete Chick Morrison an. „Dr. Stadler, nehmen Sie bitte hier zur Linken von Mr. Thompson Platz. Und Sie, Miss Taggart – hier entlang, bitte schön – rechts von Mr. Thompson.“
    Dr. Stadler gehorchte. Dagny rührte sich nicht von der Stelle.
    „Es geht nicht nur um die Presseaufnahmen, sondern um die Fernsehzuschauer“, erklärte Chick Morrison ihr beschwörend.
    Sie trat einen Schritt vor und wandte sich direkt an Mr. Thompson: „Ich werde an dieser Veranstaltung nicht teilnehmen.“
    „Nein?“, fragte er unbeeindruckt, als hätte eine der Blumenvasen plötzlich ihre Mitwirkung verweigert.
    „Um Himmels willen, Dagny!“, schrie James Taggart panisch.
    „Was hat sie?“, fragte Mr. Thompson.
    „Aber, Miss Taggart! Warum nicht?“, rief Chick Morrison.
    „Das wissen Sie alle nur zu gut“, sagte sie, an alle Umstehenden gerichtet. „Sie hätten das nicht ein zweites Mal versuchen sollen.“
    „Miss Taggart!“, brüllte Chick Morrison, als sie sich zum Gehen wandte. „Das ist ein nationaler Notf…“
    In diesem Moment eilte ein Mann auf Mr. Thompson zu. Sein Gesichtsausdruck ließ alle Anwesenden schlagartig verstummen, und auch Dagny hielt inne. Es war der Chefingenieur der Rundfunkanstalt, und es war seltsam zu sehen, wie nacktes Entsetzen sich in seinem Gesicht abzeichnete und er nur mit Mühe einen Anschein von Fassung wahren konnte.
    „Mr. Thompson“, sagte er, „wir … wir werden möglicherweise die Sendung verschieben müssen.“
    „Wie bitte?“ , schrie Mr. Thompson.
    Die Zeiger standen auf 19 Uhr 58.
    „Wir versuchen es zu beheben, Mr. Thompson, wir bemühen uns, die Ursache herauszufinden … aber wir werden es möglicherweise nicht rechtzeitig schaffen, und …“
    „Wovon reden Sie? Was ist passiert?“
    „Wir versuchen herauszufinden …“
    „Was ist passiert?“
    „Ich weiß es nicht! Aber … der … der Sendebetrieb ist zusammengebrochen, Mr. Thompson.“
    Einen Augenblick lang herrschte Stille, dann fragte Thompson mit unnatürlich tiefer Stimme: „Sind Sie wahnsinnig?“
    „Ja, das bin ich wohl. Ich wünschte, ich wäre es. Ich verstehe es selbst nicht. Der Sender ist tot.“
    Thompson sprang auf und brüllte: „Eine technische Störung? In einem solchen Augenblick eine gottverfluchte technische Störung? Wenn das die Art ist, in der Sie diesen Sender betreiben …“
    Der Chefingenieur schüttelte langsam den Kopf, wie ein Erwachsener, der einem Kind keine Angst machen möchte. „Es geht nicht um diesen Sender, Mr. Thompson“, sagte er leise. „Soweit wir die Lage haben abklären können, sind sämtliche Sender im ganzen Land betroffen. Es liegt keine technische Störung vor. Weder hier noch anderswo. Die Geräte sind in Ordnung, absolut tadellos, und alle Rundfunkanstalten berichten dasselbe, aber … aber um 19 Uhr 51 ist der Sendebetrieb überall zusammengebrochen, und … und niemand weiß, weshalb.“
    „Aber …“, brüllte Thompson, dann stockte er, schaute um sich und schrie: „Doch nicht heute Abend! Das darf heute Abend nicht passieren! Sie müssen mich auf Sendung bringen!“
    „Mr. Thompson“, sagte der Mann langsam, „wir haben das elektronische Labor des State Science Institute angerufen. Sie … sie haben so etwas noch nie erlebt. Sie sagen, es sei möglicherweise ein Naturereignis, eine Art bislang unbekannter kosmischer Störung, nur …“
    „Nur was?“
    „Nur gehen sie davon eigentlich nicht aus. Wir auch nicht. Sie empfangen eine

Weitere Kostenlose Bücher