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Der Streik

Der Streik

Titel: Der Streik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ayn Rand
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schäbiger kleiner Heuchler – und genau solch ein Mensch gehorcht eurer Moral und trennt seine Werte von der Materie. Der Mann, der eine Frau liebt, aber mit einer anderen schläft; der Mensch, der die Fähigkeiten eines Arbeiters bewundert, aber einen anderen einstellt; der Mensch, der eine Sache für gerecht hält, aber sein Geld spendet, um eine andere zu unterstützen; der Mensch, der hohe Ansprüche an Wertarbeit stellt, aber sich der Produktion von Ramsch verschreibt – diese Menschen sind es, die materiellen Dingen entsagt haben und glauben, ihre geistigen Werte könnten nicht in materielle Wirklichkeit umgesetzt werden.
    Sagt ihr, es sei der Geist, dem solche Menschen entsagt haben? Ja, selbstverständlich. Ihr könnt das eine nicht ohne das andere haben. Ihr seid eine unteilbare Entität aus Materie und Bewusstsein. Entsagt ihr dem Bewusstsein, werdet ihr zu einem Tier. Entsagt ihr dem Körper, werdet ihr zu einem Heuchler. Entsagt ihr der materiellen Welt, gebt ihr sie dem Bösen preis.
    Und genau darin besteht das Ziel eurer Moral, die Pflicht, die euer Kodex euch abverlangt. Gebt für das, was euch kein Vergnügen bereitet, dient dem, was ihr nicht bewundert, ordnet euch dem unter, was euch als böse gilt – übereignet die Welt den Werten anderer, verleugnet, verschmäht, entsagt euch selbst . Euer Selbst ist euer Verstand ; entsagt ihm, und ihr werdet ein Fleischkloß, den sich der nächstbeste Kannibale einverleiben kann.
    Es ist euer Verstand , auf den sie es abgesehen haben – all jene, die den Opferglauben predigen, unabhängig davon, unter welchem Banner und aus welchen Motiven; unabhängig davon, ob ihr ihn zugunsten eurer Seele oder eures Körpers preisgeben sollt; unabhängig davon, ob sie euch ein Leben im Jenseits oder einen vollen Magen im Diesseits in Aussicht stellen. Wer heute sagt: ‚Eigenen Wünschen nachzugehen ist selbstsüchtig, man muss sie den Wünschen anderer opfern‘, sagt morgen: ‚Eigene Überzeugungen zu hegen ist selbstsüchtig, man muss sie den Überzeugungen anderer opfern.‘
    So viel ist wahr: Es gibt nichts Selbstsüchtigeres als einen unabhängigen Verstand, der keine Autorität über sich und keinen Wert über dem anerkennt, was er selbst für wahr hält. Man fordert euch auf, eure intellektuelle Integrität, eure Logik, euren Verstand, euren Maßstab für Wahrheit zu opfern – und euch stattdessen zu prostituieren, indem ihr euch nach dem größten Glück der größten Zahl richtet.
    Sucht ihr in eurem Kodex nach Orientierung, nach einer Antwort auf die Frage ‚Was ist gut?‘, ist die einzige Antwort, die ihr finden werdet: ‚Das Wohl anderer.‘ Das Gute ist all das, was andere wünschen, all das, was sie eurem Gefühl nach als Wunsch verspüren, oder all das, was sie eurem Gefühl nach verspüren sollten. ‚Das Wohl anderer‘ ist eine Zauberformel, die alles in Gold verwandelt, eine Formel, die herzusagen einem unter allen Umständen moralische Ehre einbringt und jede Handlung reinwäscht, selbst das Niedermetzeln eines ganzen Kontinents. Euer Maßstab für Tugendhaftigkeit ist kein Gegenstand, keine Handlung, kein Prinzip, sondern eine Absicht . Sie bedarf keines Nachweises, keiner Begründung, keines Erfolgs. Das Wohl anderer muss nicht einmal tatsächlich erzielt werden – es genügt das Wissen darum, dass es euer Beweggrund war und ihr nicht etwa aus Eigeninteresse gehandelt habt. Eure einzige Definition für das Gute ist eine Negation: Gut ist das, was für mich nicht gut ist.
    Euer Kodex, der sich rühmt, ewige, absolute und objektive moralische Werte zu vertreten, und der alles Bedingte, Relative und Subjektive verhöhnt – euer Kodex gibt als seine Lesart des Absoluten folgende moralische Verhaltensregel aus: Wenn ihr es wünscht, ist es böse; wenn andere es wünschen, ist es gut; wenn der Beweggrund eurer Handlung euer eigenes Wohl ist, führt sie nicht aus; wenn der Beweggrund das Wohl anderer, ist alles erlaubt.
    Wie diese zweigeteilte, mit zweierlei Maß messende Moral euch in zwei Teile spaltet, spaltet sie die Menschheit in zwei feindliche Lager: eines bist du , das andere der Rest der Menschheit. Du bist der einzige Ausgestoßene, der kein Recht hat, etwas zu wollen oder zu leben. Du bist der einzige Diener, alle anderen sind Herren; du bist der einzige Gebende, alle anderen empfangen; du bist der ewige Schuldner, alle anderen sind Gläubiger, deren Ansprüche nie beglichen werden können. Du darfst weder ihren Anspruch auf dein Opfer

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