Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Streik

Der Streik

Titel: Der Streik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ayn Rand
Vom Netzwerk:
vorbringt, ist verworfener als die Verworfenheit, die sie rechtfertigen soll. Ihr sollt aus Liebe opfern, heißt es – aus der Liebe, die ihr jedem Menschen entgegenbringen sollt. Dieselbe Moral, die behauptet, geistige Werte seien höher zu achten als materielle, eine Moral, die eine Prostituierte für verachtungswürdig erklärt, weil sie ihren Körper unterschiedslos allen Männern hingibt – ebendiese Moral fordert euch auf, eure Seele in promiskuitiver Liebe jedem Dahergelaufenen hinzugeben.
    Ebenso wenig, wie es Wohlstand ohne Ursache geben kann, kann es Liebe oder irgendein anderes Gefühl ohne Ursache geben. Ein Gefühl ist eine Reaktion auf eine Tatsache, eine von eurem Wertmaßstab diktierte Einschätzung. Lieben bedeutet wertschätzen . Der Mensch, der euch erzählt, es sei möglich, ohne Werte etwas wertzuschätzen, einen Menschen zu lieben, den ihr für nichtswürdig haltet, wird euch auch erzählen, man könne Reichtum erlangen, indem man verzehrt, ohne etwas zu schaffen, und Papiergeld sei ebenso wertvoll wie Gold.
    Beachtet, dass er nicht erwartet, dass ihr euch ohne Ursache fürchtet. Wenn seinesgleichen an die Macht kommen, sind sie Meister im Erfinden von Mitteln, um euch zu terrorisieren; sie geben euch reichlich Anlass, die Angst zu spüren, mittels derer sie euch beherrschen wollen. Geht es aber um Liebe, das höchste aller Gefühle, lasst ihr euch als moralische Delinquenten beschimpfen, wenn ihr nicht in der Lage seid, sie ohne Ursache hervorzubringen. Fürchtet ein Mensch sich ohne Ursache, schickt ihr ihn zum Psychiater; so umsichtig seid ihr nicht, wenn es darum geht, die Bedeutung, das Wesen und die Würde der Liebe zu schützen.
    Liebe ist der Ausdruck persönlicher Werte, der höchste Lohn, den man für die moralischen Eigenschaften, die man charakterlich und persönlich erworben hat, verdienen kann, der emotionale Preis, den einer für seine Freude an den Tugenden eines anderen bezahlt. Eure Moral gebietet euch, eure Liebe von euren Werten zu trennen und sie an jeden beliebigen Vagabunden weiterzugeben, nicht als Antwort auf seinen Wert, sondern als Antwort auf seine Bedürfnisse , nicht als Lohn, sondern als Almosen, nicht als Gegenwert für Tugenden, sondern als Blankoscheck für Laster. Eure Moral erzählt euch, dass Liebe dazu da sei, euch von den Fesseln der Moral zu befreien; dass Liebe über jedes moralische Urteil erhaben sei; dass wahre Liebe jede Form von Bösem in dem Gegenstand der Liebe transzendiere, vergebe und überdauere; dass, je größer die Liebe sei, desto lasterhafter das sein könne, was sie liebt. Einen Menschen seiner Tugenden wegen zu lieben, erzählt sie euch, sei schäbig und menschlich; ihn für seine Makel zu lieben, sei göttlich. Jene zu lieben, die der Liebe würdig sind, sei selbstsüchtig; die Unwürdigen zu lieben, sei ein Opfer. Ihr schuldet eure Liebe denen, die sie nicht verdienen, und je weniger sie sie verdienen, desto mehr Liebe schuldet ihr ihnen; je abscheulicher der Liebesgegenstand, desto edler ist eure Liebe; je haltloser eure Liebe, desto größer eure Tugend – und wenn es euch gelingt, aus eurer Seele einen Schutthaufen zu machen, der alles unterschiedslos annimmt, wenn ihr aufhört, moralische Werte zu schätzen, dann habt ihr einen Zustand moralischer Vollkommenheit erreicht.
    So lautet eure Opfermoral, und dies sind ihre beiden Ideale: das Leben eures Körpers nach dem Bild eines menschlichen Schlachthofs umzugestalten und das Leben eures Geistes nach dem Bild eines Schutthaufens.
    Das war euer Ziel – und ihr habt es erreicht. Weshalb beschwert ihr euch jetzt über das Unvermögen der Menschen und die Vergeblichkeit ihrer Hoffnungen? Weil euer Streben nach Zerstörung euch nicht in eine Blütezeit geführt hat? Weil ihr keine Freude finden konntet, indem ihr dem Schmerz huldigtet? Weil ihr mit dem Tod als Wertmaßstab nicht in der Lage wart zu leben?
    In dem Ausmaß, in dem ihr noch leben konntet, habt ihr euren Moralkodex gebrochen, und dennoch glaubt ihr, die, die ihn predigen, seien Menschenfreunde; ihr verdammt euch selbst und wagt es nicht, ihre Beweggründe oder Ziele zu hinterfragen. Schaut sie jetzt an, ehe ihr eure letzte Entscheidung trefft – und wenn ihr den Untergang wählt, dann tut es im vollen Bewusstsein der Gemeinheit und Beschränktheit des Feindes, der euer Leben gefordert hat.
    Die Mystiker beider Schulen, die den Opferglauben predigen, sind Krankheitserreger, die euch an demselben wunden Punkt angreifen: an

Weitere Kostenlose Bücher