Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Streik

Der Streik

Titel: Der Streik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ayn Rand
Vom Netzwerk:
Ihre Bedingungen. Wir werden jede Bedingung erfüllen, die Sie uns stellen. Können Sie uns hören?“
    Es kam keine Antwort.
    Die rote Rauchsäule, die in der Nacht des 22. Januar in den Himmel schoss, eine Weile wie ein feierlicher Gedenkobelisk merkwürdig stillstand, dann schwankte und am Himmel hin- und hertrieb wie ein Suchscheinwerfer, der eine nicht zu entziffernde Botschaft aussendet, und dann so plötzlich, wie sie erschienen war, verschwand, markierte das Ende von Rearden Steel – doch die Menschen in der Umgebung wussten nichts davon. Es wurde ihnen erst in den folgenden Nächten bewusst, als sie – die das Stahlwerk wegen des Rauchs, der Dämpfe, des Rußes und des Lärms verflucht hatten – hinausschauten und anstelle des lebendigen, pulsierenden Glühens am vertrauten Horizont schwarze Leere erblickten.
    Das Werk war verstaatlicht worden, weil es einem Fahnenflüchtigen gehört hatte. Der erste sogenannte „Volksführer“, dem die Leitung des Stahlwerks übertragen worden war, gehörte der Gruppe um Orren Boyle an. Er war ein feister Trittbrettfahrer aus der metallurgischen Industrie, der nichts anderes gewollt hatte, als seinen Mitarbeitern hinterherzutrotten, während er so tat, als hätte er die Führung. Doch am Monatsende, nachdem es zu viele Auseinandersetzungen mit den Arbeitern gegeben hatte, zu viele Gelegenheiten, bei denen seine einzige Antwort gewesen war, er könne nichts dafür, zu viele geplatzte Bestellungen, zu viel telefonischen Druck seitens seiner Kumpanen, hatte er inständig um Versetzung auf einen anderen Posten gebeten. Die Orren-Boyle-Gruppe hatte sich aufgelöst, seitdem sich Mr. Boyle in einem Pflegeheim befand, wo sein Arzt ihm jede Berührung mit geschäftlichen Angelegenheiten verboten hatte und er stattdessen im Rahmen einer Beschäftigungstherapie Körbe flocht. Der zweite „Volksführer“, dem Rearden Steel anvertraut wurde, gehörte der Gruppe um Cuffy Meigs an. Er trug lederne Gamaschen und benutzte parfümiertes Haarwasser; er war stets mit einer Pistole an der Hüfte zur Arbeit erschienen, hatte unentwegt gebellt, Disziplin sei sein oberstes Ziel und dieses Ziel werde er bei Gott erreichen, sonst passiere etwas! Die einzige erkennbare disziplinarische Regel, die er einführte, war das Verbot, Fragen zu stellen. Nach wochenlanger fieberhafter Aktivität der Versicherungsgesellschaften, der Feuerwehrleute, der Krankenwagen und der Erste-Hilfe-Sanitäter im Zusammenhang mit einer Reihe unerklärlicher Unfälle war der „Volksführer“ eines Morgens verschwunden, doch zuvor hatte er die meisten Kräne, die automatischen Förderanlagen, die Vorräte an Schamottsteinen, den Notstromerzeuger sowie den Teppich aus Reardens ehemaligem Büro verkauft und an diverse Schieber in Europa und Lateinamerika verschifft.
    In dem heillosen Durcheinander der darauffolgenden Tage war niemand imstande gewesen, die Abläufe nachzuvollziehen. Die Probleme waren nie beim Namen genannt worden, und niemand hatte die Parteien voneinander abgegrenzt, doch jeder hatte gewusst, dass die Bagatellen, welche immer wieder blutige Zwischenfälle zwischen den angestammten und den neuen Arbeitern ausgelöst hatten, die Heftigkeit dieser Zusammenstöße nicht hatten erklären können. Weder Wachleute noch Polizisten oder Regierungstruppen waren in der Lage gewesen, auch nur einen Tag lang für Ruhe und Ordnung zu sorgen, und keine Fraktion konnte einen neuen Kandidaten für den Posten des „Volksführers“ stellen. Am 22. Januar wurde der Betrieb bei Rearden Steel per Erlass vorläufig eingestellt.
    Die rote Rauchsäule jener Nacht war von einem sechzigjährigen Arbeiter verursacht worden. Er hatte eines der Gebäude angezündet und war dabei auf frischer Tat ertappt worden, wie er verwirrt lachte und in die Flammen starrte. „Um Hank Rearden zu rächen!“, hatte er rebellisch geschrien, während Tränen über sein vom Hochofen gebräuntes Gesicht rannen.
    Lass es dir nicht so nahe gehen, dachte Dagny, als sie auf ihrem Schreibtisch über der Seite einer Zeitung zusammengesunken war, auf der eine einzige kleine Meldung das „vorläufige“ Ende von Rearden Steel bekanntgab, lass es dir nicht so nahe gehen. ... Immerzu sah sie Hank Reardens Gesicht vor sich, wie er an seinem Bürofenster gestanden und Bewegungen eines mit blaugrünen Schienen beladenen Krans, der sich vor dem Himmel abhob, beobachtet hatte. … Lass es ihm nicht so nahe gehen, flehte sie in Gedanken, ohne sich an

Weitere Kostenlose Bücher