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Der Streik

Der Streik

Titel: Der Streik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ayn Rand
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Taggart Terminals ruhte.
    „Es erzeugt meinen Strom für das Labor“, sagte er. „Niemand soll sich wundern, weshalb ein Gleisarbeiter so viel Elektrizität verbraucht.“
    „Aber wenn sie diesen Ort jemals finden …“
    Er erwiderte mit einem kurzen, eigentümlichen Lachen: „Das werden sie nicht.“
    „Wie lange hast du …?“
    Sie hielt inne; diesmal stockte ihr nicht der Atem. Das, was sie jetzt sah, konnte sie nur mit einem Augenblick gänzlicher innerer Stille quittieren: Hinter einer Reihe von Maschinen hing an der Wand ein ausgeschnittenes Zeitungsfoto – es war ein Foto von ihr, bekleidet mit einer Freizeithose und einem Hemd, wie sie mit erhobenem Kopf anlässlich der Eröffnung der John-Galt-Trasse neben der Lokomotive stand und ihr Lächeln den Anlass, die Bedeutung und die strahlende Sonne jenes Tages widerspiegelte.
    Sie antwortete nur mit einem Stöhnen, als sie sich ihm zuwandte, aber der Ausdruck auf seinem Gesicht glich dem, den sie auf dem Foto hatte.
    „Ich war das Symbol dessen, was du in der Welt auslöschen wolltest“, sagte er. „Doch du warst das Symbol dessen, was ich erreichen wollte.“ Er zeigte auf das Bild. „So hoffen die Menschen in ein oder zwei Ausnahmesituationen im Laufe ihres Lebens im Hinblick auf ihr Dasein zu empfinden. Doch ich – ich habe entschieden, dieses Gefühl als dauerhaften Normalzustand zu erleben.“
    Sein Gesichtsausdruck, die ruhige Eindringlichkeit seines Blickes und seines Verstandes verwirklichten für sie das Gesagte, jetzt, in diesem Augenblick, in dem Gesamtzusammenhang dieses Augenblicks, in dieser Stadt.
    Als er sie küsste, wusste sie, dass sie beide mit ihren Armen, die einander festhielten, ihren jeweils größten Triumph umfassten, dass dies die von Schmerz und Furcht freie Wirklichkeit war, die Wirklichkeit des fünften Konzerts von Halley, dies war der Lohn, den sie ersehnt, erkämpft und errungen hatten.
    Es läutete an der Tür.
    Im ersten Moment schrak sie zurück – wohingegen er sie noch fester und länger umarmt hielt.
    Als er seinen Kopf hob, lächelte er. Er sagte nur: „Jetzt ist es Zeit, furchtlos zu sein.“
    Sie folgte ihm zurück in die Dachkammer. Sie hörte, wie die Tür zum Labor hinter ihnen ins Schloss fiel.
    Er half ihr schweigend in ihren Mantel und wartete, bis sie den Gürtel zugebunden und ihren Hut aufgesetzt hatte – dann ging er zur Eingangstür und öffnete sie.
    Drei der vier eintretenden Männer waren muskulöse Gestalten in Militäruniformen mit jeweils zwei Revolvern an den Hüften. Ihre breiten Gesichter waren formlos und ihr Blick stumpfsinnig. Der vierte, ihr Anführer, war ein schmächtiger Zivilist mit einem teuren Mantel, einem gepflegten Schnurrbart, blassblauen Augen und dem Gehabe eines Werbeagenten.
    Er warf einen flüchtigen Blick auf Galt und auf das Zimmer, trat einen Schritt vor, blieb stehen, trat einen weiteren Schritt vor und blieb erneut stehen.
    „Ja?“, sagte Galt.
    „Sind … sind Sie John Galt?“, fragte er mit zu lauter Stimme.
    „Das ist mein Name.“
    „Sind Sie der John Galt?“
    „Welcher?“
    „Haben Sie die Ansprache im Radio gehalten?“
    „Wann?“
    „Lassen Sie sich nicht von ihm täuschen.“ Die metallene Stimme war diejenige Dagnys, und sie richtete sich an den Anführer. „Er – ist – John – Galt. Ich werde dem Oberkommando die Beweise vorlegen. Fahren Sie fort.“
    Galt wandte sich ihr zu, als wäre sie eine Fremde. „Wollen Sie mir jetzt sagen, wer Sie sind und was Sie hier zu suchen haben?“
    Ihr Gesicht war genauso leer wie diejenigen der Soldaten. „Mein Name ist Dagny Taggart. Ich wollte mich davon überzeugen, dass Sie der Mann sind, den das Land sucht.“
    Er wandte sich an den Anführer. „Also gut“, sagte er. „Ich bin John Galt – doch wenn ich Ihnen in irgendeiner Form Rede und Antwort stehen soll, dann halten Sie mir Ihren Lockvogel“ – er zeigte auf Dagny – „vom Leib.“
    „Mr. Galt!“, rief der Anführer in überaus jovialem Ton aus. „Es ist mir eine Ehre, Sie kennenzulernen, eine Ehre und ein Privileg! Bitte, Mr. Galt, Sie dürfen uns nicht falsch verstehen, wir sind bereit, Ihren Wünschen zu entsprechen. Nein, selbstverständlich müssen Sie nichts mit Miss Taggart zu tun haben, wenn es Ihnen nicht beliebt, Miss Taggart wollte nur ihre patriotische Pflicht erfüllen, aber …“
    „Ich sagte, halten Sie sie mir vom Leib.“
    „Wir sind nicht Ihre Feinde, Mr. Galt, ich versichere Ihnen, dass wir nicht Ihre Feinde

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