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Der Streik

Der Streik

Titel: Der Streik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ayn Rand
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sind.“ Er wandte sich an Dagny. „Miss Taggart, Sie haben dem Volk einen unschätzbaren Dienst erwiesen. Sie haben die höchste Form öffentlicher Dankbarkeit verdient. Bitte überlassen Sie alles Weitere uns.“ Seine besänftigenden Handbewegungen drängten sie zurückzutreten, um Galt aus den Augen zu gehen.
    „Also, was wollen Sie?“, fragte Galt.
    „Die Nation wartet auf Sie, Mr. Galt. Wir wollen nur eine Gelegenheit, Missverständnisse auszuräumen. Nur eine Gelegenheit, mit Ihnen zusammenzuarbeiten.“ Seine behandschuhte Hand gab seinen drei Männern ein Zeichen; die Dielen krachten, als sie schweigend darangingen, Schubladen und Schränke zu öffnen; sie durchsuchten das Zimmer. „Der Geist der Nation wird morgen wiedererwachen, Mr. Galt, wenn bekannt wird, dass man Sie gefunden hat.“
    „Was wollen Sie?“
    „Wir wollen Sie nur im Namen des Volkes begrüßen.“
    „Bin ich verhaftet?“
    „Aber weshalb denn in solch althergebrachten Kategorien denken? Unsere Aufgabe besteht lediglich darin, Sie sicher zu den obersten Regierungsgremien zu begleiten, wo Ihre Anwesenheit dringend erforderlich ist. Er stockte, erhielt aber keine Antwort. „Die obersten Regierungsbeamten wollen sich mit Ihnen besprechen – sie wollen sich nur mit Ihnen besprechen und ein gegenseitiges Einvernehmen erzielen.“
    Die Soldaten fanden nichts außer Kleidungsstücken und Kochgeschirr; es gab keine Briefe, keine Bücher, nicht einmal eine Zeitung, als wäre das Zimmer die Behausung eines Analphabeten.
    „Unser Ansinnen ist es lediglich, Ihnen zu Ihrem rechtmäßigen Platz in der Gesellschaft zu verhelfen, Mr. Galt. Sie scheinen Ihren eigenen gesellschaftlichen Wert nicht zu kennen.“
    „Ich kenne ihn.“
    „Wir sind nur hier, um Sie zu beschützen.“
    „Abgeschlossen!“, erklärte ein Soldat und schlug mit der Faust gegen die Labortür.
    Der Anführer lächelte einschmeichelnd. „Was befindet sich hinter jener Tür, Mr. Galt?“
    „Privateigentum.“
    „Würden Sie sie bitte öffnen?“
    „Nein.“
    In einer Geste bedauernder Hilflosigkeit breitete der Anführer seine Arme aus. „Mir sind leider die Hände gebunden. Befehle, Sie verstehen. Wir müssen das Zimmer betreten.“
    „Betreten Sie es.“
    „Es ist nur eine Formalität, eine reine Formalität. Es gibt keinen Grund, weshalb die Dinge nicht freundschaftlich vonstatten gehen sollten. Wären Sie also bitte so freundlich, mit uns zu kooperieren?“
    „Ich sagte nein.“
    „Sie möchten doch sicher nicht, dass wir irgendwelche … unnötigen Maßnahmen ergreifen.“ Er bekam keine Antwort. „Wir haben die Befugnis, diese Tür aufzubrechen, wissen Sie, aber das möchten wir natürlich nicht.“ Er wartete ab, bekam aber keine Antwort. „Brich das Schloss auf!“, fauchte er den Soldaten an.
    Dagny blickte auf Galts Gesicht. Er stand ungerührt da und hielt den Kopf gerade. Sie sah die gelassenen Züge seines Profils und seine auf die Tür gerichteten Augen. Das Schloss war eine kleine quadratische Platte aus geschliffenem Kupfer, ohne Schlüsselloch oder Befestigung.
    Unwillkürlich verstummten und erstarrten die drei Männer, während das Einbruchswerkzeug in den Händen des vierten sich vorsichtig am knirschenden Holz der Tür zu schaffen machte.
    Das Holz gab mühelos nach, und das Geräusch der kleinen zu Boden fallenden Stücke wurde durch die Stille zum Rattern eines Gewehrs in der Ferne verstärkt. Als das Stemmeisen des Einbrechers die Kupferplatte in Angriff nahm, hörten sie hinter der Tür ein leises Rascheln, nicht lauter als ein müdes Seufzen. Eine Minute später fiel das Schloss heraus, und die Tür tat sich zwei Zentimeter weit auf.
    Die Soldaten sprangen zurück. Der Anführer näherte sich mit unregelmäßigen, abgehackten Schritten und warf die Tür auf. Sie blickten in ein schwarzes Loch mit unbekanntem Inhalt und von undurchdringlicher Dunkelheit.
    Sie schauten zuerst einander und dann Galt an; er stand reglos da und sah in die Dunkelheit.
    Dagny schloss sich ihnen an, als sie hinter dem Schein ihrer Taschenlampen über die Türschwelle traten. Der langgezogene, mit Metall ausgekleidete Raum jenseits der Schwelle war leer, abgesehen von schweren Verwehungen von grauweißem Staub auf dem Boden, die aussahen, als gehörten sie in eine seit Jahrhunderten unberührte Ruine. Der Raum wirkte tot wie ein leerer Schädel.
    Sie wandte sich ab, um zu verhindern, dass sie in ihrem Gesicht den Schrei erkannten, den sie innerlich ausstieß,

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