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Der Streik

Der Streik

Titel: Der Streik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ayn Rand
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Vertrauen und meiner Ehre gesprochen. Ich denke nicht mehr in solchen Kategorien. …“ Er zuckte mit den Schultern und fügte hinzu: „Ich gebe nichts auf deinen Bruder James und seine Freunde. Ihr Kalkül war nicht neu, es hat über Jahrhunderte hinweg funktioniert. Aber es war nicht narrensicher. Da war ein einziger Punkt, den sie übersehen hatten. Sie dachten, sie könnten sich auf meinen klugen Kopf verlassen, weil sie davon ausgingen, dass das Ziel meiner Reise Reichtum sei. Alle ihre Berechnungen basierten auf der Annahme, dass ich Geld machen wollte. Was, wenn das nicht der Fall war?“
    „Wenn nicht Geld, was wolltest du dann?“
    „Sie haben mich das nie gefragt. Mich nicht nach meinen Zielen, Gründen oder Wünschen zu fragen, ist ein wesentlicher Teil ihres Kalküls.“
    „Wenn du kein Geld machen wolltest, welchen möglichen Grund konntest du haben?“
    „Jede Menge. Zum Beispiel, Geld auszugeben.“
    „Geld ausgeben für einen sicheren, kompletten Fehlschlag?“
    „Wie hätte ich wissen sollen, dass diese Minen ein sicherer, kompletter Fehlschlag sind?“
    „Wie konntest du das nicht wissen?“
    „Ganz einfach: indem ich nicht darüber nachdachte.“
    „Du hast das Projekt begonnen, ohne darüber nachzudenken?“
    „Nein, nicht ganz. Aber was wäre, wenn ich mich geirrt hätte? Ich bin auch nur ein Mensch. Ich habe einen Fehler gemacht. Ich bin gescheitert. Ich war nicht gut.“ Er bewegte ruckartig sein Handgelenk. Eine Kristallmurmel schoss glitzernd über den Fußboden und stieß hart an eine braune Murmel am anderen Ende des Raumes.
    „Das glaube ich dir nicht“, sagte sie.
    „Nein? Aber habe ich nicht das Recht, so zu sein, wie es heute allgemein als menschlich akzeptiert wird? Soll ich für die Fehler aller Menschen bezahlen und selbst nie einen begehen dürfen?“
    „Das ist nicht deine Art.“
    „Nein?“ Er streckte sich in voller Länge auf dem Teppich aus, faul und entspannt. „Wolltest du, dass ich bemerke, dass du – auch wenn du denkst, dass ich es mit Absicht getan habe – es mir immer noch zugutehältst, dass ich einen Zweck verfolge? Kannst du immer noch nicht akzeptieren, dass ich ein Taugenichts bin?“
    Sie schloss ihre Augen. Sie hörte ihn lachen, es war das fröhlichste Geräusch der Welt. Schnell öffnete sie die Augen, doch in seiner Miene lag keine Spur von Grausamkeit, nur ungetrübtes Lachen.
    „Mein Grund, Dagny? Meinst du nicht, es könnte der simpelste Grund von allen sein – einfach eine Laune?“
    Nein, dachte sie, nein, das ist nicht wahr, nicht wenn er so lachte, nicht wenn er so blickte, wie er es jetzt tat. Die Fähigkeit zu ungetrübter Freude, dachte sie, haben unverantwortliche Narren nicht. Ungebrochene Gemütsruhe ist kein Zustand, den ein Herumtreiber erreichen kann. So lachen zu können, ist das Ergebnis höchst gründlichen, ernsthaften Nachdenkens.
    Während sie seinen auf dem Teppich zu ihren Füßen ausgestreckten Körper ansah, nahm sie beinahe leidenschaftslos wahr, welche Erinnerungen er in ihr wachrief: Der schwarze Schlafanzug unterstrich die langen Linien seines Körpers, der geöffnete Kragen gab seine weiche, junge, sonnengebräunte Haut frei – und sie dachte an die Gestalt mit schwarzen Freizeithosen und schwarzem Hemd, die bei Sonnenaufgang langgestreckt neben ihr im Gras gelegen hatte. Damals hatte sie Stolz empfunden, den Stolz zu wissen, dass sein Körper ihr gehörte. Sie fühlte ihn immer noch. Plötzlich erinnerte sie sich besonders an die ausschweifenden Momente ihres Liebeslebens, eine Erinnerung, die ihr jetzt hätte unangenehm sein sollen, es aber nicht war. Sie empfand immer noch Stolz ohne Reue oder Hoffnung, eine Empfindung, die nicht die Macht hatte, sie zu erreichen, und die sie nicht die Macht hatte zu zerstören.
    Unerklärlicherweise, aufgrund einer Gefühlsassoziation, die sie erstaunte, erinnerte sie sich daran, was ihr zum letzten Mal eine so reine Freude wie die seine verschafft hatte.
    „Francisco“, hörte sie sich selbst leise sagen, „wir haben beide die Musik von Richard Halley geliebt. …“
    „Ich liebe sie immer noch.“
    „Hast du ihn jemals getroffen?“
    „Ja, wieso?“
    „Weißt du zufällig, ob er ein fünftes Konzert geschrieben hat?“
    Er rührte sich nicht. Sie hatte gedacht, er sei durch nichts zu erschüttern, aber das war er. Doch sie konnte nicht darüber nachdenken, warum unter all den Dingen, die sie gesagt hatte, ihn das als erstes getroffen hatte. Es war nur ein

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