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Der Streik

Der Streik

Titel: Der Streik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ayn Rand
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Hank.“
    „Was wollten Sie also feiern?“
    „Ich dachte, ich gönne mir einmal eine Pause. Meine eigene kleine Feier – Ihnen und mir zu Ehren.“
    „Aus welchem Anlass?“
    Sie dachte an die neue Trasse inmitten der felsigen Hänge der Berge Colorados, die langsam in Richtung auf ihr fernes Ziel, die Wyatt-Ölfelder, wuchs. Sie sah den grünlich blauen Schimmer der Schienen auf dem gefrorenen Untergrund, zwischen dem vertrockneten Unkraut, den nackten Felsen und den armseligen Hütten halb verhungerter Siedlungen.
    „Zu Ehren der ersten sechzig Meilen der Rearden-Metall-Trasse“, antwortete sie.
    „Das freut mich.“ Mit diesem Ton in seiner Stimme hätte er genauso gut sagen können: „Nie davon gehört.“
    Sie wusste nicht, was sie noch sagen sollte. Sie hatte das Gefühl, mit einem Fremden zu sprechen.
    „Miss Taggart!“, durchbrach eine heitere Stimme die Stille. „Genau das meine ich, wenn ich sage, dass Hank Rearden jedes Wunder vollbringen kann!“
    Ein Geschäftsmann, den sie beide kannten, war auf sie zugekommen und lächelte ihr in freudigem Erstaunen zu. Sie hatten sich oft zu dritt zu Krisensitzungen über Transporttarife und Stahllieferungen zusammengefunden. Nun sah er sie an, seine Miene war voller Verwunderung über die Veränderung ihrer Erscheinung – eine Veränderung, dachte sie, die Rearden nicht aufgefallen war.
    Sie gestattete sich nicht, den unerwarteten Schmerz der Enttäuschung wahrzunehmen, den uneingestandenen Wunsch, diesen Blick stattdessen lieber auf Reardens Gesicht zu sehen. Lachend erwiderte sie die Begrüßung des Mannes und sprach ein paar Sätze mit ihm. Als sie sich wieder umblickte, war Rearden gegangen.
    „Das ist also Ihre berühmte Schwester?“, sagte Balph Eubank zu James Taggart und blickte quer durch den Raum zu Dagny hin.
    „Es war mir gar nicht bewusst, dass meine Schwester berühmt ist“, sagte Taggart mit etwas bissiger Stimme.
    „Aber mein lieber Freund, sie ist ein ungewöhnliches Phänomen im Bereich der Wirtschaft, da müssen Sie damit rechnen, dass die Leute über sie sprechen. Ihre Schwester ist ein Symptom für die Krankheit, an der dieses Land leidet. Ein dekadentes Produkt des Maschinenzeitalters. Maschinen haben das Humane im Menschen zerstört, ihn von seinem Boden gelöst, ihn seiner natürlichen Fähigkeiten beraubt, seine Seele getötet und ihn zu einem gefühllosen Roboter gemacht. Dies ist ein Beispiel dafür – eine Frau, die eine Eisenbahngesellschaft leitet, statt sich der wundervollen Kunst des Webens und dem Gebären von Kindern zu widmen.“
    Rearden ging unter seinen Gästen umher und versuchte dabei, nicht in eine Konversation verwickelt zu werden. Er überblickte den Raum. Es gab hier niemanden, an den er sich wenden wollte.
    „Na, Hank Rearden, Sie sind gar kein so schlechter Kerl, wenn man Sie aus der Nähe in ihrer eigenen Höhle sieht. Sie sollten uns von Zeit zu Zeit eine Pressekonferenz geben, dann bekämen Sie uns auf Ihre Seite.“
    Rearden wandte sich um und starrte den Sprecher ungläubig an. Es war ein junger Zeitungsmann von der schäbigeren Sorte, der für ein radikales Blatt arbeitete. Die beleidigende Vertraulichkeit seines Auftretens schien zu bedeuten, dass er absichtlich unhöflich zu Rearden war, weil er wusste, dass Rearden sich auf einen Mann wie ihn niemals eingelassen hätte.
    Rearden hätte ihn in seinem Stahlwerk nicht geduldet, aber der Mann war Lillians Gast. Er nahm sich zusammen und fragte trocken: „Was wollen Sie?“
    „Sie sind gar nicht so übel. Sie haben Talent. Technisches Talent. Aber selbstverständlich bin ich nicht mit Ihnen einer Meinung, was Rearden-Metall betrifft.“
    „Ich habe Sie nicht darum gebeten, mit mir einer Meinung zu sein.“
    „Nun“, begann der Mann angriffslustig und zeigte zur Bar, „Bertram Scudder hat gesagt, dass Ihre Geschäftspolitik …“ Er hielt inne, als wäre er weiter gegangen, als er beabsichtigt hatte.
    Rearden blickte hinüber zu der ungepflegten Gestalt, die lässig an der Bar lehnte. Lillian hatte sie vorgestellt, aber er hatte den Namen nicht beachtet. Er wandte sich schroff ab und schritt in einer Haltung davon, die dem jungen Taugenichts verbot, ihm zu folgen.
    Lillian, die inmitten einer Gruppe stand, blickte auf, als Rearden auf sie zukam und ohne ein Wort zu sagen mit ihr zur Seite trat, wo sie niemand hören konnte.
    „Ist das Scudder von The Future ?“, fragte er und zeigte auf den Mann.
    „Ja.“
    Er sah sie schweigend an,

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