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Der Streik

Der Streik

Titel: Der Streik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ayn Rand
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Damen, die er auf Wunsch seiner Mutter mit Geschichten aus seiner Jugend und über den Kampf um sein Fortkommen unterhalten sollte. Er gab nach und sagte sich, dass sie auf ihre eigene Weise stolz auf ihn war. Und doch vermittelte etwas an ihrem Verhalten den Eindruck, als wäre sie es gewesen, die ihm durch all diese Kämpfe geholfen hätte, und als wäre sie die Quelle seines Erfolges. Er war froh, als sie ihn gehen ließ. Einmal mehr flüchtete er sich in die Nische am Fenster.
    Dort stand er eine Weile und stützte sich auf ein Gefühl der Ungestörtheit, als wäre es ein greifbarer Halt.
    „Mr. Rearden“, sagte eine ungewohnt ruhige Stimme hinter ihm, „erlauben Sie, dass ich mich Ihnen vorstelle. Mein Name ist d’Anconia.“
    Rearden wandte sich erstaunt um. D’Anconias Auftreten und Stimme waren von einer Art, die er selten zuvor angetroffen hatte. Sie zeugten von echtem Respekt.
    „Sehr erfreut“, antwortete er. Seine Stimme war schroff und trocken, doch er hatte ihm geantwortet.
    „Ich habe beobachtet, dass Mrs. Rearden versucht hat zu vermeiden, mich Ihnen vorzustellen, und ich kann mir den Grund dafür denken. Wäre es ihnen lieber, ich würde Ihr Haus verlassen?“
    Ein Problem beim Namen zu nennen, statt ihm auszuweichen, war so anders als das übliche Verhalten aller Leute, die er kannte, es war eine so plötzliche, verblüffende Erleichterung, dass Rearden einen Augenblick schwieg und d’Anconias Gesicht musterte. Francisco hatte sehr schlicht gesprochen, weder vorwurfsvoll noch bittend, aber auf eine Art, die seltsamerweise sowohl Reardens als auch seine eigene Würde unangetastet ließ.
    „Nein“, sagte Rearden, „wie kommen Sie darauf? Das habe ich nicht gesagt.“
    „Danke. In diesem Fall werden Sie mir doch erlauben, mit Ihnen zu sprechen?“
    „Warum würden Sie mit mir sprechen wollen?“
    „Meine Beweggründe können für Sie im Moment nicht von Interesse sein.“
    „Eine Unterhaltung mit mir ist vermutlich niemals von Interesse für Sie.“
    „Sie täuschen sich über einen von uns, Mr. Rearden, oder über uns beide. Ich bin nur zu dieser Gesellschaft gekommen, um Sie zu treffen.“
    Anfangs war eine leichte Erheiterung in Reardens Stimme mitgeschwungen, nun bekam sie einen Anflug von Verachtung. „Sie haben mit offenen Karten zu spielen begonnen. Bleiben Sie dabei.“
    „Das tue ich.“
    „Wozu wollten Sie mich treffen? Damit ich Geld verliere?“
    Francisco sah ihm gerade ins Gesicht. „Ja … am Ende schon.“
    „Was ist es diesmal? Eine Goldmine?“
    Francisco schüttelte langsam den Kopf. Die bewusste, bedächtige Bewegung wirkte fast traurig. „Nein“, sagte er. „Ich will Ihnen nichts verkaufen. Um genau zu sein, habe ich auch nicht versucht, James Taggart meine Kupfermine zu verkaufen. Er ist deshalb zu mir gekommen. Das würden Sie nicht tun.“
    Rearden lachte in sich hinein. „Wenn Sie sich dessen bewusst sind, haben wir zumindest eine vernünftige Gesprächsbasis. Nur weiter so. Wenn es Ihnen also nicht um irgendeine verstiegene Investition geht, warum wollten Sie mich treffen?“
    „Um Sie kennenzulernen.“
    „Das ist keine Antwort, nur eine andere Art, dasselbe zu sagen.“
    „Nicht ganz, Mr. Rearden.“
    „Oder meinten Sie – um mein Vertrauen zu gewinnen?“
    „Nein. Ich mag Menschen nicht, die darüber sprechen oder daran denken, das Vertrauen von jemandem gewinnen zu wollen. Wenn jemand ehrlich handelt, benötigt er den Vertrauensvorschuss anderer nicht, nur ihre rationale Wahrnehmung. Wer einen moralischen Blankoscheck dieser Art benötigt, hat unehrliche Absichten, ob er es sich eingesteht oder nicht.“
    Reardens erstaunter Blick war wie das unwillkürliche Ausstrecken einer Hand, die verzweifelt nach Halt sucht. Dieser Blick verriet, wie sehr er das Bedürfnis hatte, einen Mann zu finden wie jenen, den er nun vor sich zu haben meinte. Dann senkte Rearden den Blick, schloss beinahe die Augen, um langsam diese Vision und dieses Bedürfnis auszublenden. Sein Gesicht war hart. Es hatte einen Ausdruck von Strenge angenommen, einer inneren, gegen sich selbst gerichteten Strenge, es wirkte ernst und einsam.
    „Nun gut“, sagte er tonlos. „was wollen Sie, wenn nicht mein Vertrauen?“
    „Ich möchte lernen, Sie zu verstehen.“
    „Wozu?“
    „Aus einem persönlichen Grund, der Sie zu diesem Zeitpunkt noch nicht kümmern muss.“
    „Was möchten Sie an mir verstehen?“
    Francisco blickte schweigend hinaus in die Finsternis. Das Feuer des

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