Der Streik
Grund gegeben, so zu denken.“
„Woher nehmen Sie dann das Recht, darüber zu sprechen, was das Menschsein bedeutet? Sie haben es verraten.“
„Es tut mir leid, wenn ich Sie mit dem, was Sie zu Recht als Anmaßung auffassen konnten, beleidigt habe.“
Francisco verbeugte sich und wandte sich zum Gehen. Unwillkürlich und ohne zu merken, dass die Frage seinem Ärger widersprach, dass sie ein Vorwand war, um ihn zurückzuhalten, sagte Rearden: „Was wollten Sie an mir verstehen?“
Francisco drehte sich um. Sein Gesichtsausdruck hatte sich nicht verändert, er war immer noch von ernsthaftem, höflichem Respekt. „Ich habe es bereits verstanden“, antwortete er.
Rearden beobachtete, wie er sich entfernte und unter die Leute mischte. Ein Butler mit einem Kristallteller und Dr. Pritchett, der sich vorbeugte, um sich noch ein Kanapee auszusuchen, verstellten ihm die Sicht auf Francisco. Rearden blickte hinaus in die Dunkelheit; man konnte nichts sehen außer dem Wind.
Dagny trat zu ihm, als er aus der Nische kam. Sie lächelte ermunternd, um ihn zu einem Gespräch einzuladen. Er blieb stehen. Es schien ihr, als hätte er nur widerwillig angehalten. Sie sprach hastig, um das Schweigen zu unterbrechen. „Hank, warum haben Sie so viele Intellektuelle eingeladen, die der Überzeugung der Plünderer anhängen? Ich würde sie in meinem Haus nicht dulden.“
Es war nicht das, was sie ihm hatte sagen wollen. Doch sie wusste nicht, was sie sagen sollte. Niemals zuvor war sie in seiner Gegenwart um Worte verlegen gewesen.
Sie sah, wie sich seine Augen verengten, als schlösse sich eine Tür. „Ich sehe keinen Grund, warum man sie nicht zu einer Gesellschaft einladen sollte“, erwiderte er kühl.
„Oh, ich wollte nicht Ihre Auswahl an Gästen kritisieren. Aber … Na ja, ich habe versucht, nicht zu erfahren, wer von ihnen Bertram Scudder ist. Sollte ich es erfahren, schlage ich ihm ins Gesicht.“ Sie versuchte beiläufig zu klingen. „Ich möchte hier keine Szene veranstalten, aber ich bin nicht sicher, ob ich mich zurückhalten könnte. Ich konnte es kaum glauben, als mir jemand sagte, dass Mrs. Rearden ihn eingeladen hat.“
„ Ich habe ihn eingeladen.“
„Aber …“ Dann senkte sich ihre Stimme. „Warum?“
„Ich messe Ereignissen wie diesem keine Bedeutung bei.“
„Entschuldigen Sie, Hank. Ich wusste nicht, dass Sie so nachsichtig sind. Ich bin es nicht.“
Er schwieg.
„Ich weiß, dass Sie Gesellschaften nicht leiden können. Ich auch nicht. Aber manchmal frage ich mich … vielleicht sind wir die Einzigen, die in der Lage wären, sie zu genießen.“
„Ich fürchte, mir fehlt diese Gabe.“
„Nicht in diesem Fall. Aber denken Sie, dass es irgendjemandem dieser Leute gefällt? Sie bemühen sich nur, noch sinnloser und zielloser zu sein als sonst. Leicht und unbedeutend zu sein … Wissen Sie, ich glaube, dass man sich nur dann, wenn man sich enorm bedeutend fühlt, auch wahrhaft leicht fühlen kann.“
„Davon verstehe ich nichts.“
„Das ist nur ein Gedanke, der mich von Zeit zu Zeit beunruhigt. … Er ist mir bei meinem ersten Ball gekommen. … Und ich denke immer noch, dass Gesellschaften zum Feiern da sind und dass Feiern nur für diejenigen da sein sollten, die etwas zu feiern haben.“
„Daran habe ich nie gedacht.“
Sie war nicht in der Lage, ihre Worte seinem förmlichen Auftreten anzupassen – sie konnte es nicht recht glauben. Sie waren in seinem Büro immer ungezwungen miteinander umgegangen. Jetzt war es, als trüge er eine Zwangsjacke.
„Sehen Sie sich um, Hank. Wenn Sie niemanden von diesen Leuten kennen würden, würde es dann nicht wundervoll aussehen? Die Lichter und die Kleider und all die Phantasie, die das möglich gemacht hat …“ Sie blickte in den Raum. Sie bemerkte nicht, dass er ihrem Blick nicht gefolgt war. Er sah hinunter zu den Schatten auf ihrer nackten Schulter, den weichen blauen Schatten, die das Licht entstehen ließ, das durch ihre Haarsträhnen fiel.
„Warum haben wir das alles Narren überlassen? Es hätte uns gehören sollen.“
„Wie denn?“
„Ich weiß nicht … Ich habe immer erwartet, Gesellschaften seien aufregend und glitzernd wie ein auserlesenes Getränk.“ Sie lachte, und in ihrem Lachen schwang Traurigkeit mit. „Aber ich trinke auch nicht. Das ist ein weiteres Symbol, das nicht bedeutet, was es bedeuten sollte.“ Er schwieg. Sie fügte hinzu: „Vielleicht haben wir etwas verpasst.“
„Nicht dass ich
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