Der stumme Handlungsreisende
Frau ein Baby
bekommen?« fragte sie.
»Wenn ja, hat es nichts
mit mir zu tun.«
Von da an ging es mit unserer
Beziehung abwärts. Am Ende war alles, was ich von ihr bekommen hatte,
ein Zischen und ein vervielfältigtes Blatt, auf dem die Besuchszeiten
für die verschiedenen Stationen aufgelistet waren. Die Loftus-Klinik
selbst war nicht aufgeführt, aber ich fand einen Loftus-Pavillon.
Ich hatte nicht nach der
Richtung gefragt und hatte -nachdem die Empfangsschwester siegreich aus
einer Auseinandersetzung mit einer fetten Frau und einem kleinen Jungen
hervorgegangen war - auch keine Lust mehr, mir ein weiteres Zischen einzuhandeln.
Also ging ich einfach auf die nächstgelegenen Türen zu, die so
aussahen, als führten sie eher in das Gebäude hinein als heraus.
Zwei Türen rechts und
eine links später fand ich mich einem freundlichen Mann in einer Art
Uniform gegenüber. »Sie gehen in die falsche Richtung, mein
Sohn«, sagte er.
Genau das hatte meine Mutter
auch gesagt, als ich in den fünfziger Jahren an die Ostküste
ging. Und beide hatten sie recht.
*
Nach ihrem Spender benannte
Stationen der großen Krankenhäuser spiegeln für gewöhnlich
eher dessen Brieftasche als dessen Persönlichkeit wider. Der Prunk
des Loftus-Pavillons schien das Wenige, was ich über Jeffrey Loftus
wußte, den großen, alten Mann, der die Gesellschaft gegründet
hatte, zu bestätigen. Er entsprach ganz dem Bild eines britischen
Adligen und war vor langer Zeit einmal nach Indianapolis gekommen, um hier
sein Glück zu machen. Mittlerweile war er Ende Achtzig, aber immer
noch gut in Form. Im Fernsehen wurde er nie anders als Sir Jeff genannt,
und anders als aus dem Fernsehen kannte ich ihn nicht. In den letzten
zwanzig Jahren hatte er zu denen gehört, die die Modernisierung von
Indianapolis vorantrieben. Einer der Burschen, die mich heimatlos machten.
Er war sehr großzügig, wenn es um Bauprojekte ging, die man
grob gesagt als »Hilfe fürs Volk« bezeichnen konnte -
welche steuerlichen oder sonstigen Vorteile sie auch für den Spender
selbst mit sich bringen mochten.
Nicht, daß Loftus etwas
anderes gewesen wäre als eine relativ armselige Ausgabe von
Carnegie; Loftus war nicht einmal der größte Pharmahersteller
in der Stadt - diese Ehre gebührte ganz entschieden Eli Lilly &
Company.
Aber aus welchem Grund auch
immer, der Loftus-Pavillon unterschied sich in puncto Stil jedenfalls
deutlich von dem altmodischen, eher nüchternen Charakter des übrigen
Entropist-Hospital. Natürlich war es ein Neubau, aber er fiel vor
allem durch seine so zweckmäßige Anlage auf. Im Erdgeschoß
kam man, ohne Umwege direkt in die Aufnahme und zu einer kleinen Nische,
in der man, wenn nötig, ungestört warten konnte. Der Pavillon
machte mit seinen dicken Teppichen vor allem einen sehr wohlhabenden
Eindruck, so, als wäre die väterliche Hand von Sir Jeff mit ein
paar Extramünzen aus der Tasche gekommen, damit die Architekten
wirklich ganze Arbeit leisten konnten.
Die Krankenschwester im
Loftus-Pavilion war nicht dumm. Sie hatte scharfe Augen und erkannte in
mir auf den ersten Blick den Feind. »Was wollen Sie?« fragte
sie.
»Ich möchte
wissen, wann ich John Austin Pighee besuchen kann, bitte.« Ich
glaube, ich habe wirklich bitte gesagt.
»Mr. Pighee darf keine
Besucher empfangen«, erwiderte sie, ohne zu zögern.
»Warum nicht?«
Sie schien beleidigt darüber
zu sein, daß man ihr eine andere als eine Wann- und Wo-Frage
stellte. »Weil es eben so ist«, sagte sie. »Ansteckungsrisiko:
Anordnung des Arztes.«
»Könnte ich dann
bitte einmal mit seinem Arzt sprechen?«
»Was glauben Sie
eigentlich, wer Sie sind?«
»Ich repräsentiere
ein Mitglied von Mr. Pighees Familie, das ihn besuchen möchte und
sich nicht damit zufriedengibt, von irgend jemandem am Empfangstisch
abgespeist zu werden. Das reicht einfach nicht. Wenn es einen echten Grund
gibt, warum er keinen Besuch haben darf, schön. Aber wir wollen mehr
darüber wissen, und zwar von dem Arzt, der für seinen Fall zuständig
ist.«
»Dr. Merom ist im
Augenblick nicht im Haus.«
»Nun gut, dann möchte
ich eben mit jemandem sprechen, der da ist«, sagte ich.
Sie drehte sich zu einem Mann
in einem Büro um, das durch eine Wand und ein Fenster von dem
Empfangstisch abgetrennt war. »Evan«, sagte sie.
Der Mann stand auf, und ich
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