Der stumme Handlungsreisende
Rechtsanwalt gesprochen. Ich habe ihn abgefangen, als er das Haus
verließ.«
»Und?«
»Ich verstehe nicht,
warum John seine Sachen von diesem Mann regeln läßt«,
sagte sie. »Das heißt, eigentlich verstehe ich es schon. Sie
waren zusammen auf dem College. Sie waren Freunde. Ich muß sagen, daß
ich ihn heute nicht besser leiden kann als damals.«
»Damals? Auf dem
College?«
»O ja«, sagte sie
und begriff, daß sie mir vielleicht ein paar Dinge erklären
sollte. »John… Sie sollten wissen, daß mein Bruder viel
jünger ist als ich, Mr. Samson. Unsere Eltern starben, als er noch
ein Junge war, und ich habe immer sehr an Johnny gehangen.«
»Darf ich fragen, wie
alt Mr. Pighee jetzt ist?«
»Neunundzwanzig.«
Ich nickte.
»Aber Mr. Thomas, mein
Mann, und ich… wir trennten uns… gerade zu der Zeit, als
Johnny zum College ging oder jedenfalls gegangen wäre, wenn da nicht
Linn gewesen wäre… und ich hatte eine kleine Rücklage. Es
schien mir eine gute Idee zu sein, für die beiden ein Heim zu
schaffen. Ihm durchs Studium zu helfen, alles zu tun, was in meinen Kräften
stand. Dabei ist es dann irgendwie geblieben. Und da bin ich nun.«
Ich zögerte kurz und
sagte schließlich: »Sie sagten, Sie hätten mit Johns
Anwalt gesprochen.«
»Walter Weston. Ja.«
»Was hat er gesagt?«
»Daß die Leute
von Loftus nicht nur das täten, wozu sie rechtlich verpflichtet
seien, sondern noch mehr, daß Linn über Johns Fortschritte
umfassend informiert würde und daß sie davon überzeugt
sei, für John würde so gut wie möglich gesorgt.«
»Genauer gesagt, daß
Sie sich um Ihre eigenen Angelegenheiten kümmern sollen.«
Sie nickte und sagte dann
rauh: »Nicht, daß es Linn viel ausmachen würde, wenn John
keine Fortschritte machte. Deshalb ist sie auch so leicht
zufriedenzustellen.«
»Sie mögen sich
wohl nicht besonders, Sie und Ihre Schwägerin?«
»Nicht im geringsten.
Das ist kein Geheimnis.«
»Der Rechtsanwalt
Weston hält natürlich seine Verpflichtungen gegenüber Mrs.
Pighee für wichtiger als seine Verpflichtungen Ihnen gegenüber?«
»Zweifellos.«
»Und Sie brauchen
jemanden, der in Ihrem Interesse Nachforschungen anstellt.«
»Ja«, sagte sie.
»Ich möchte, daß Sie herausfinden, warum ich meinen
eigenen… meinen einzigen Bruder nicht im Krankenhaus besuchen darf.
Nach allem, was ich für ihn getan habe.«
*
Ich verließ Mrs.
Thomas, nachdem wir die Einzelheiten meiner Bezahlung besprochen hatten.
Sie hatte meine Anzeige im Star nachgelesen. Ich brachte es nicht übers
Herz, mein Honorar um fünfundzwanzig Prozent heraufzusetzen, so daß
es nach Abzug der zwanzig Prozent Rabatt wieder auf fünfzig Dollar
pro Tag plus Spesen käme, so viel, wie sie ohne meinen Hinweis auf
die Annonce bezahlt hätte.
Mrs. Thomas war eine zähe
Verhandlungspartnerin. Sie wollte wissen, ob der Rabatt auch für die
Spesen galt. Das tat er nicht.
Selbst mit fünfzig
Dollar plus Spesen war ich äußerst günstig, um nicht zu
sagen billig.
Mit zwanzig Prozent
Preisnachlaß war ich der reinste Anachronismus.
Aber ganz ohne Aufträge
würde ich schon bald zu einer ausgestorbenen Rasse gehören, also
beklagte ich mich nicht.
Kurz nach zehn war ich wieder
zurück in Indianapolis; ich parkte auf dem Parkplatz um die Ecke, wo
ich ein Abkommen mit dem Parkwächter hatte: Ich zahlte die
monatlichen Nachtgebühren und parkte dort jederzeit, Tag und Nacht. Aber all das würde
der Vergangenheit angehören, sobald die Bauunternehmer erst einmal
ihren Abbruch begannen. Ich erklomm den hölzernen Hügel zu
meinem Büro-Heim und trank eine Flasche Orangensaft, bevor ich den
Fernseher anstellte. Dann sah ich mir einen komischen Film an und weinte
mich in den Schlaf.
2
Ich wachte ungewöhnlich
früh auf. Vor lauter Aufregung darüber, einen Job zu haben.
Das Leben im Entropist
Hospital schien jedoch um zehn nach neun, als ich dort ankam, bereits in
vollem Gang zu sein. Das Entropist ist eins der größten
Krankenhäuser der Stadt - weder das feinste noch das schäbigste.
In der Stadt stand es in dem Ruf, eine medizinische Forschungseinrichtung
zu sein - ob zu Recht oder zu Unrecht, wußte ich nicht.
Am Empfangstisch fragte mich
eine Krankenschwester mit Zahnpastalächeln: »Kann ich etwas für
Sie tun, Sir?«
»Können Sie mir
sagen, wann die Besuchszeiten sind, bitte?«
»Hat Ihre
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