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Der stumme Ruf der Nacht

Titel: Der stumme Ruf der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L Griffin
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voller Sommersprossen, so als wäre sie den ganzen Sommer im Freien gewesen. Er vermutete, dass ihre eigentliche Haarfarbe ein rötliches Braun war.
    »Sind Sie sicher, dass der Zeitpunkt stimmt?«, fragte er.
    »Was soll das heißen?«
    »Na ja, dass der Mann gleich zu ihnen ins Auto kam. Sind Sie sicher, dass nicht erst ein paar Minuten vergingen?«
    Das war ein Punkt, an dem ihre Geschichte nicht mit einer Zeugenaussage übereinstimmte. Eine Frau, die mit ihrem Hund spazieren ging, hatte gesehen, dass in dem Buick ein Paar stritt, ehe Schüsse zu hören waren. Zu diesem Zeitpunkt, behauptete die Spaziergängerin, sei sie dreißig bis vierzig Meter entfernt gewesen.
    Doch noch wollte Will diese Aussage nicht ansprechen. »Könnten Sie mir den Täter beschreiben?«
    Sie atmete tief durch. »Schwarze Skimaske. Dunkelblauer Trainingsanzug. Schwarze Lederhandschuhe.«
    Sie klopfte mit der Nagelfeile auf den Tisch. Wenn Zeugen sich an die Angreifer erinnerten, wurden sie meistens nervös.
    Oder wenn sie nicht die Wahrheit sprachen.
    »Wie war seine Statur? Groß? Klein?«
    »Er war untersetzt«, sagte sie bestimmt.
    »Wie untersetzt?«

    »Na, untersetzt eben.« Sie musterte ihn von Kopf bis Fuß. »Nicht wie Sie oder so. Ein bisschen schwabbelig halt. Er hatte einen Bierbauch.«
    »Und wie groß war er?«, fragte er wohl wissend, dass sie ihn zu beeinflussen versuchte.
    »Kleiner als ich. Vielleicht einen Meter siebzig. Aber ich bin nicht ganz sicher.«
    »Herkunft?«
    »Ein Weißer, europäisch-stämmig. Und er hatte graue Augen. Die konnte ich durch die Maske sehen.«
    »Okay. Und was ist dann passiert?«
    Wieder holte sie tief Luft. »Er sagte, ›Gib mir dein Handy‹, aber David war wie erstarrt. Der Typ wiederholte es, und David gab ihm das Telefon. Danach richtete er die Waffe auf mich und sagte, ›Deins auch‹.«
    Will nickte.
    »Mir fiel ein, dass ich Pfefferspray in der Handtasche hatte. Das versuchte ich zu finden, als ich nach meinem Handy tastete.« Sie schluckte und sah zu Boden. Will wartete.
    »Auf einmal hat er David einfach erschossen. Einfach so. Aus dem Nichts. Er hatte ihm gerade das Telefon gegeben und wollte die Brieftasche herausziehen.«
    »Vielleicht hat er gedacht, David wollte nach einer Waffe greifen«, vermutete Will.
    »Ich weiß es nicht. Vielleicht.« Wieder trommelte sie mit der Nagelfeile ein Stakkato auf das Resopal.
    »Und dann?«
    Sie schluckte. Sah zu Boden. Dann schien sie das Trommeln zu bemerken und hielt ihre Hand ruhig.
»Was danach geschah, weiß ich nicht mehr genau. Wirklich. Meine nächste Erinnerung ist, dass wir irgendwie um die Waffe gerungen haben.«
    »Sie haben versucht, ihm die Waffe zu entreißen?« Will beugte sich vor und stützte die Ellenbogen auf den Tisch. Dieser Teil der Geschichte kam ihm seltsam vor. Wenn Frauen sich zwischen Kampf oder Flucht entscheiden mussten, wählten sie in der Regel die Flucht, es sei denn, ein Kind war im Spiel. Und nach ihrer Beschreibung wog der Angreifer gut dreißig Kilo mehr als sie. Mindestens.
    »Ich … ich weiß wirklich nicht, wie das passiert ist. Ich hatte einfach Panik, nachdem er David erschossen hatte. Ich dachte, ich bin die Nächste.«
    »Zeigen Sie’s mir.«
    »Was?« Sie riss die Augen auf.
    »Zeigen Sie mir, wie Sie mit ihm gekämpft haben.« Will wollte herausfinden, wie es zum positiven Ergebnis bei der Schmauchspur-Analyse gekommen war, der sie noch am Tatort zugestimmt hatte.
    Sie rückte von ihm weg, so als fürchtete sie sich. »Ich kann mich wirklich nicht genau erinnern. Ich weiß nur …«
    »Versuchen Sie’s einfach.« Er drehte seinen Stuhl um und platzierte sich hinter ihr. »Tun Sie so, als säße ich auf dem Rücksitz. War er Rechts- oder Linkshänder?«
    Sie wandte sich zu ihm um, und ihre Augen verrieten ihm, wie unwohl sie sich fühlte. Sie biss sich auf die Lippe und starrte einen Moment regungslos auf seine Brust.

    »Rechtshänder, glaube ich. Er hielt die Pistole rechts.«
    »Können Sie sich an die Waffe erinnern?«
    »Eigentlich nicht. Sie war schwarz.«
    »Informieren Sie uns unbedingt, wenn Ihnen was einfällt. Eine Beschreibung der Waffe würde uns sehr helfen.« Will tat so, als hielte er eine Waffe in der Hand und richtete sie auf einen imaginären Nebenmann. »Okay, und jetzt zeigen Sie mir, was passiert ist.«
    Nach kurzem Zögern streckte sie den Arm aus und legte ihre Hand um seine. Seine Finger waren weich und kühl.
    »Ich weiß nicht mehr genau, aber ich glaube, so war

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