Der stumme Ruf der Nacht
Highway fuhr.
Ihm sträubten sich die Nackenhaare. Irgendwas war nicht in Ordnung. Wo zum Teufel war sie? Er trat aus der Sitznische und schritt durch das Restaurant. Der schmale Gang, der zu den Toiletten führte, war leer. Will stieß die Tür zur Damentoilette auf und erschreckte eine Frau, die am Waschbecken stand.
»Courtney?« Er bückte sich, um unter den Kabinenwänden nach ihren Füßen zu sehen. Nichts.
Adrenalin pumpte durch seinen Körper. Er rannte in die Herrentoilette und überprüfte sie kurz. Ebenfalls leer.
»Scheiße!«
Er lief zum Hinterausgang hinaus und tat ein paar Schritte auf einen Kiesparkplatz neben einem großen verrosteten Müllcontainer. »Courtney!«
Ein schwerer Sattelzug donnerte auf der Straße vorbei, als er den Blick über die trostlose Landschaft hinter dem Restaurant schweifen ließ.
Das war doch nicht möglich. Das konnte sie doch nicht machen. Jetzt würde sie doch nicht vor ihm weglaufen.
Oder doch?
Sie hatte nicht einmal Geld. Aber, verdammt noch mal, vielleicht brauchte sie auch keins. Vielleicht hatte sie einfach einen Trucker angelächelt und ihn gebeten, sie mitzunehmen.
Aber das würde sie nie tun.
Oder doch?
»Verdammter Mist!«
Er starrte auf den Horizont. In jeder Himmelsrichtung nichts als die texanische Wüste. Meilenweit. Keine Autos, keine Trucks. Und keine Courtney.
Sie sah Will durch einen Spalt der verwitterten Zaunbretter und hörte ihn fluchen. Um sie herum stank es nach Abfall.
Der Arm, der ihren Hals umklammert hielt, verstärkte den Druck und ließ ihr noch weniger Luft zum Atmen. Sie wimmerte, und der Druck wurde nochmals stärker. Zugleich schwenkte der Lauf der Pistole, der die ganze Zeit gegen ihre Schläfe gepresst war, in Wills Richtung.
Gierig atmete sie die Luft durch die Nasenlöcher und unterdrückte den Wunsch zu schreien, um nicht das kleinste Geräusch von sich zu geben.
Nicht hersehen. Nicht hersehen. Nicht hersehen. Sie starrte auf Wills Rücken und wünschte, dass er ihre Gedanken spürte.
Der Griff um ihren Hals blieb hart und fest.
Dreh dich um. Geh rein!
Die Hand mit der Waffe bewegte sich ein wenig, und sie kniff die Augen zu. Sie konnte das nicht mit ansehen. Nicht noch einmal.
Plötzlich strömte wieder Luft in ihre Lungen. Ihr war schwindlig, und sie trat einen Schritt zurück. Will war verschwunden. Und im selben Moment packte eine Hand grob ihren Arm und zerrte sie rückwärts.
»Kein Mucks, oder ich puste dir dein blödes Hirn raus.«
Er zog sie hinter dem Müllcontainer hervor. Panisch blickte sie über den Parkplatz. Neben dem Highway parkten ein paar leere Lastwagen, doch kein Mensch war draußen. Der Mann zerrte sie um eine Ecke des Gebäudes zu einer grünen Limousine. Dort schubste er sie auf den Beifahrersitz und knallte die Tür zu. Dann öffnete er die Hintertür und setzte sich hinter sie.
Courtney griff nach dem Türhebel, doch schon schnappte die Verriegelung zu. Sie riss den Kopf herum. Auf dem Fahrersitz saß eine Frau und lächelte sie an.
»Hallo, Courtney.«
»Wer zum Teufel sind Sie?«
Kapitel 23
Noch einmal sah Will auf der Damentoilette, dann auch auf der Herrentoilette nach. Auf dem Weg zurück in das Gastzimmer ließ ihn ein vertrautes Geräusch innehalten.
Sein Telefon. Er drehte sich einmal um die eigene Achse.
»Courtney?« Er öffnete eine Tür, auf der »Personal« stand. Eine Putzkammer. Wieder hörte er seinen Klingelton. Er kam aus der Richtung des Ausgangs. Und weiter hinten im Gang lag auch sein Handy. Auf dem Boden neben einem Wischmopp.
Rasch hob er es auf und rannte durch den Hinterausgang aus dem Restaurant.
»Courtney!«
Sein Magen krampfte sich zusammen. Wohin sie auch verschwunden sein mochte, freiwillig war sie nicht gegangen …
Er drehte sich zum Müllcontainer, von dem ein bestialischer Gestank ausging, steckte das Handy in die Tasche und ging mit ungutem Gefühl darauf zu. Die rostige Einfüllluke war mit einem Vorhängeschloss abgesperrt. Doch oben war der Container offen, und so packte er mit beiden Händen den hohen Metallrand und machte einen Klimmzug, um sich hinaufzuziehen.
Und dann blickte er in einen verrottenden Haufen Abfall und Speisereste.
Er ließ sich wieder auf den Boden plumpsen. Übelkeit und Erleichterung vermischten sich, als er nach der Landung das Gleichgewicht suchte.
Wieder klingelte das Telefon. Will zog es heraus. Devereaux.
»Was gibt’s denn?«
»Wir haben ein Problem.«
Was du nicht sagst , dachte Will, als er um
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