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Der stumme Ruf der Nacht

Titel: Der stumme Ruf der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L Griffin
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aus gesehen.«
    »Vielleicht hat er sich nur beim Rasieren geschnitten.«
    »Schau dich doch um, Hodges. Was fällt dir sonst noch auf?«

    Verärgert, dass er wie ein Grünschnabel behandelt wurde, sah sich Will erneut um. Er mochte noch nicht lange beim Morddezernat sein, aber er war nicht erst seit gestern bei der Polizei. Er bemerkte das halbvolle Glas auf dem Tischchen neben dem großen Ledersessel. Er ging durch das Zimmer und besah sich die Flasche auf der Anrichte. Dewar’s Whisky. Fünf rote Winston lagen im Aschenbecher neben dem Telefon. Vier davon waren bis etwa zwei Zentimeter vor dem Filter geraucht und ausgedrückt worden, während die fünfte bis zum Filter abgebrannt war und eine lange Aschewurst gebildet hatte. Was ihre Zigaretten betraf, hatten die meisten Raucher ziemlich feste Angewohnheiten.
    »Er telefoniert und raucht«, begann Will. »Irgendjemand kommt an die Hintertür, oder vielleicht hört er auch etwas im Garten. Er sieht nach, macht die Tür auf, und jemand kommt ins Haus.«
    Devereaux bedeutete ihm weiterzumachen. Will ließ den Blick noch einmal über den Raum schweifen. Nichts schien beschädigt, und es gab auch kein Zeichen einer gewalttätigen Auseinandersetzung. Was übersah er bloß? Er schnupperte ein wenig, konnte aber nicht einmal einen Hauch von Pulvergeruch ausmachen. Sein Blick fiel auf den Sessel vor dem Fernseher.
    Der Beistelltisch stand etwas schräg und ziemlich nahe am Fernsehschrank. Beinahe zwei Meter vom Sessel entfernt. Das war viel zu weit weg, als dass jemand die Füße ablegen oder einen Drink darauf abstellen könnte.
    Ein weiteres Mal tasteten Wills Augen den Raum ab.
Die Couchüberwürfe passten farblich zu den Polstern. An der Wand gerahmte Bilder. Regale voller Bücher, meist gebundene, dazu ein wenig Krimskrams und sogar eine Seidenblume.
    »Es ist der Teppich«, sagte er schließlich. »Hier müsste ein Teppich liegen, aber der fehlt.«
    »Ganz genau.« Devereaux nickte. »Und Pembry fehlt auch.«
     
    Als Courtney aufwachte, schien ihr die Sonne ins Gesicht. Der Raum roch nach Terpentin, und sie hatte einen steifen Hals. Plötzlich wusste sie, wo sie war. Sie starrte noch ein wenig auf das Oberlicht in Fionas Wohnzimmer und verfluchte Will Hodges, dass er sie gestern Abend hierhergebracht hatte. Er hatte sie praktisch vor Fionas Tür gezerrt, ehe er sich um irgendwas »Wichtiges« kümmern musste. Wahrscheinlich wieder eine neue Leiche.
    Courtney stützte sich auf die Ellenbogen und versuchte sich zu orientieren. Die Wohnzimmervorhänge waren zugezogen, aber angesichts des blauen Vierecks an der Decke und der Helligkeit im Raum musste es mindestens acht Uhr sein. Jack dürfte schon zur Arbeit gegangen sein, aber Fiona war bestimmt noch da. Courtneys Ankunft mit einem grimmig dreinschauenden Detective hatte gestern für Unruhe gesorgt, und Courtney war überzeugt, dass sie ihre Schwester heute in Kümmerlaune erleben würde.
    Geschirr klapperte.
    Courtney schlug die Decke zurück und schlurfte in die Küche. Fiona stand am Herd und zerließ Butter in
einer Pfanne. Sie sah kurz auf, als Courtney sich auf einen Stuhl am Frühstückstisch plumpsen ließ.
    »Guten Morgen«, sagte Fiona fröhlich.
    »Morgen.«
    »Willst du was frühstücken? Ich mach gerade French Toast.«
    »Danke, Kaffee genügt.« Courtney massierte ihren Hals, um die Verspannung zu lösen. Fiona trug einen ihrer langweiligen beigen Hosenanzüge. Das hieß, sie würde diesen Tag mit Polizisten und Verbrechern verbringen. Ihr schimmerndes rotblondes Haar war zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden. Anders als Courtney verbarg sie ihre weiblichen Reize eher, obwohl auch sie reich damit gesegnet war.
    »Wie spät ist es?«, wollte Courtney wissen.
    »Halb neun. Jack ist schon weg.«
    Courtney bündelte ihre ganze Energie, erhob sich und folgte dem Duft teuren Kaffees. Beim Kaffee ließ sich ihre Schwester nicht lumpen. Courtney nahm eine Tasse aus dem Schrank und schenkte sich ein. Währenddessen holte Fiona Eier und Orangensaft aus dem Kühlschrank. Sie goss Courtney ein Glas ein und stellte es ihr hin.
    »Bitte.«
    »Danke«, sagte Courtney muffig. »Und? Heute mal wieder eine Vergewaltigung?«
    »Weiß noch nicht. Lieutenant Cernak hat eben auf meine Mailbox gesprochen. Ich soll um neun Uhr da sein.«
    Courtney schloss die Augen und genoss das Kaffeearoma. Fiona war wieder am Herd zu Gange. Das war
ihr Ventil für den Stress. Es war wie immer – Courtneys Leben geriet außer Kontrolle,

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