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Der stumme Ruf der Nacht

Titel: Der stumme Ruf der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L Griffin
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zu kommen, und nun hatte er es vermasselt.
    »Kümmern Sie sich um Ihre anderen Fälle«, sagte Cernak scharf. »Wir haben genügend an den Hacken, das auch erledigt werden muss. Aber ich warne Sie, Hodges. Das Eis, auf dem Sie sich bewegen, ist dünn.«
     
    Courtney entdeckte Will am Eingang zur Shoppingmall, wo er einer Frau mit Kinderwagen die Tür aufhielt.
Sie merkte, dass auch er sie wahrgenommen hatte, und stellte mit Vergnügen fest, dass sein Blick sofort ihre Beine hinunterwanderte.
    Aber dann sah er ihre Einkaufstüten und verzog das Gesicht.
    Er stellte sich vor sie hin und stemmte die Arme in die Hüften. »Du holst mich doch nicht aus der Arbeit, damit ich dir die Tüten trage?«
    Verwundert beugte sie den Kopf zur Seite. »Was ist denn los mit dir?«
    Kopfschüttelnd nahm er die Tüte mit Fionas und Jacks Hochzeitsgeschenk. Und einem Paar Sandalen, ein Sonderangebot. Dann marschierte er los. Courtney folgte ihm, und als er ihr auf dem Weg über den Parkplatz einfach davonlief, wurde sie wütend. Als er den Suburban erreicht hatte, warf er die Sachen auf den Rücksitz.
    »Pass doch auf! Das ist zerbrechlich.«
    »Wenn du jemanden mit Samthandschuhen möchtest, nimm dir einen Chauffeur.«
    Wie vom Donner gerührt blieb sie stehen, während er sich ans Lenkrad setzte. Zwei Abende zuvor hatte sie bei ihm auf dem Schoß gesessen, und nun behandelte er sie wie ein Stück Dreck.
    Warum war er dann überhaupt gekommen?
    Vielleicht hatte er einfach auf den Köder reagiert. Sie hatte ihm heute Nachmittag zwei Nachrichten auf die Mailbox gesprochen und war dabei absichtlich vage geblieben. Ich habe über den Schützen nachgedacht .
    Courtney schluckte ihre Wut hinunter und ging auf
die Beifahrerseite. »Hör mal, ich weiß nicht, was du hast, aber lass es bitte nicht an mir aus.«
    Er schoss rückwärts so abrupt aus der Parklücke, dass sie sich auf dem Armaturenbrett abstützen musste.
    »Jetzt bin ich da«, sagte er barsch. »Also sag’s mir. Die Uhr läuft.«
    Sie zog den Sicherheitsgurt über ihr schwarzes Trägerkleid und schlug die Beine übereinander. »Also, mir ist gestern was aufgefallen. Gestern habe ich einer Kundin, die ziemlich viel plaudert, Strähnchen gemacht.«
    Er seufzte, und sie wurde wieder zornig. »He, möchtest du das jetzt hören oder nicht? Ich brauche euch doch überhaupt nicht zu helfen.«
    »Sag’s doch einfach!«, raunzte er.
    Gut, er hatte einen schlechten Tag. Montag noch dazu. Sie wollte ihm das zugutehalten. Sie holte Luft und begann von vorne.
    »Die Kundin hat einen starken Akzent. Sie ist aus Boston. Und das hat irgendwas in mir ausgelöst. Es hat mich an die Stimme dieses Scheißkerls erinnert.«
    Er blickte sie aus den Augenwinkeln an. »Du behauptest also, der Schütze hat einen Bostoner Akzent?«
    »Ich glaube, ja. Oder irgendwo aus der Gegend. Von oben aus den Oststaaten jedenfalls. Da bin ich mir ganz sicher.«
    Er blickte starr geradeaus, aber sie sah, dass seine Kiefermuskeln zuckten.
    »Das ist kein schlechter Hinweis«, gestand er schließlich. »Ich sag’s Webb.«
    »Webb?«

    »Er ist jetzt für deinen Fall zuständig.«
    Ein Anfall von Panik überkam sie. »Aber was ist mit dir?«
    »Ich bin davon abgezogen worden.«
    »Aber -«
    »Hör auf damit, Courtney.« Er funkelte sie wütend an. Er hatte nicht nur einen schlechten Tag, er war richtig wütend auf sie. Das war etwas Neues.
    Seit dem Baseball-Spiel musste etwas passiert sein. Seitdem sie sich auf der Veranda geküsst hatten.
    Courtney sah aus dem Autofenster und merkte, wie Angst in ihr aufstieg. Nathan war auf ihrer Seite, aber offiziell arbeitete er gar nicht an ihrem Fall. Will war ebenfalls auf ihrer Seite, doch er war abgezogen worden. Damit bestimmten nun Webb und Cernak, was aus ihr wurde. Und wenn sie sie für die Mörderin hielten, würden sie nicht länger nach einem anderen suchen.
    Aber jemand würde nach ihr suchen.
    In ihr zog sich alles zusammen. Im Mund bildete sich Speichel. Sie schluckte ihn hinunter. Was sollte sie tun?
    »Wohin?« Will klang nun ein wenig besänftigt, so als könnte er ihre Gedanken lesen.
    »Einfach zu Fiona.«
    Schweigend und ohne ein einziges Mal über den Rushhour-Verkehr zu fluchen, fuhr er sie zum Haus ihrer Schwester. Dort hielt er.
    »Danke für den Hinweis«, sagte er, ohne sie anzublicken. »Ich werde ihn weitergeben.«
    Sie sah kurz zu ihm hinüber. Irgendetwas verschwieg
er ihr. Was für eine Überraschung. Doch was es auch war, es machte ihm zu schaffen.

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