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Der stumme Ruf der Nacht

Titel: Der stumme Ruf der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L Griffin
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sie einer Eingebung folgend im Vorbeilaufen die Getränkekiste nach hinten, zurück in die Gasse. Vielleicht verriegelte sich ja auch diese Tür automatisch.
    Courtney war in einer Küche gelandet – zwischen großen Bottichen mit verschiedenen Gerichten und einem großen Herd. In der Luft hing der Geruch von Bratfett.
    Die Tür wurde aufgerissen, und eine grobe Hand ergriff ihren Arm. Kreischend schlug sie um sich. Mit einer Hand packte sie etwas, das auf dem Herd stand. Ein Wok. Sie schleuderte ihn hinter sich.
    Er brüllte auf und krümmte sich. Sie machte sich los und hastete weiter, durch eine Gruppe von Menschen mit Schürzen und Haarnetzen. Vorbei an Edelstahlspülen und -theken und zur ersten Tür, die sie entdeckte. Sie riss sie auf und kam in einen dunklen Raum. Leer. Einen Moment hielt sie inne und gewöhnte ihre Augen an die Dunkelheit. Der Gastraum. Er war doch nicht leer. Überall saßen Menschen an Tischen und beugten sich über ihre Teller. Doch mit ihrem Eintritt wurde es still. Essstäbchen verharrten in der Luft, überraschte Augenpaare richteten sich auf sie. Sie stand da und rang nach Luft.
    Ein großes helles Rechteck erschien, als die Küchentür aufschwang.
    »Feuer!«, schrie sie und rannte auf den Eingang zu. Sie riss die Tür auf und stürzte in den grellen Sonnenschein. Ein Bürgersteig. Ein Sandwich-Laden. Ein Kleidergeschäft. Sie war wieder auf der Guadalupe Street.
    Sie hetzte weiter und stieß dabei viele Schüler mit
Rucksäcken zur Seite. Sie überholte sogar jemand auf Inline-Skates.
    Erneut wagte sie einen Blick zurück. Beinahe zugleich dröhnte eine Hupe. Sie stand mitten auf einer Kreuzung. Wieder hupte das Auto, und sie sprang beiseite. Verzweifelt suchte sie nach einem Polizisten oder einem Telefon.
    Sie hatte ein Telefon.
    Sie griff in ihre Handtasche und kramte hektisch darin herum. Wo zum Teufel war nur ihr Handy? Gerade wenn sie es am allernötigsten brauchte, fand sie es nicht. Wieder blickte sie sich suchend um. Wo war überhaupt der Escalade? Sie musste weg von hier. Sich in Sicherheit bringen.
    Sie hörte das Quietschen von Bremsen, als zwei Blocks weiter ein orangeweißer Bus zum Stehen kam. Ein Schulbus. Sie begann wieder zu rennen. Ihr Herz raste. Ihre Beine brannten. Die Riemen ihrer hochhackigen Sandalen schnitten ihr in den Fuß.
    Sie hörte, wie die Türen geschlossen wurden, sah, dass die Bremslichter erloschen.
    »Anhalten!«
    Ächzend setzte sich der Bus in Bewegung. Sie schlug mit der Faust auf das Blech. »Anhalten!«
    Er hielt an.
    Die Tür ging auf.
    Sie ergriff den Handlauf und schwang sich in das Gefährt.
     
    Will lief den rebenbedeckten Hügel hinauf und versuchte, einen klaren Kopf zu bekommen. Die Kudzu-Ranken,
die ihm an den Knöchel entlangstrichen, schienen sich auch um seinen Hals zu wickeln und sogar die heiße, stehende Luft abzuwürgen.
    »Alles in Ordnung bei dir?«, fragte Devereaux von hinten.
    »Ja.«
    Sie erreichten die höchste Stelle des Hohlwegs, wo eine leichte Brise durch die Blätter fächelte. Will stieg über einen Baumstamm und kratzte sich dabei die Erde von den Schuhsohlen.
    »Es ist die Hitze«, sagte sein Partner. »Wochenlang nichts als Sonne. Ist wirklich alles in Ordnung?«
    »Ja.« Aber eigentlich würde er am liebsten kotzen. Und wahrscheinlich täte er es auch bald, wenn Devereaux nicht endlich die Klappe hielt.
    »Die Rechtsmedizin wird mit der Autopsie vermutlich schnell machen. Du musst für mich die Berichte über vermisste Kinder überprüfen. Schauen wir mal, was dabei rauskommt.«
    Will schluckte die in ihm aufsteigende Galle herunter und versuchte, den Schweiß, der ihm in Strömen herunterrann, zu ignorieren. Devereaux kratzte sich am selben Baum wie Will den Dreck von den Sohlen, und gemeinsam trotteten sie zum Taurus, der auf dem Seitenstreifen dieser abgelegenen Straße stand. Der Kombi der Spurensicherung parkte ein paar hundert Meter weiter nördlich, ein gutes Stück näher an dem schlammigen Bachlauf, in dem man die Leiche gefunden hatte.
    Wills Handy vibrierte, und er schaute aufs Display. Courtney. Verdammt. Er hatte schon zwei Anrufe von
ihr verpasst, doch das wollte er Devereaux nicht sagen. Er entfernte sich von ihrem Wagen, bis er sicher außer Hörweite war, und rief zurück.
    »Ich bin’s. Was ist los?«
    »Wo warst du die ganze Zeit?«, wollte sie wissen.
    »Ich muss gerade was erledigen. Was willst du denn?«
    Schweigen.
    »Courtney? Stimmt was nicht?«
    »Nichts.« Doch ihre Stimme klang

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