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Der stumme Ruf der Nacht

Titel: Der stumme Ruf der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L Griffin
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eine Karikatur eines glatzköpfigen Mannes mit Brille aussah. »Wer ist ›Dr. Awkward‹?«
    »Da haben Sie mich kalt erwischt. Ich dachte, Sie würden das wissen. Klingt wie ein Spitzname. Außerdem erwähnt er den Namen Sarah. Ist das Ihre Mandantin?«
    Sie gab keine Antwort, sondern blickte nur auf das Blatt. Er behielt ihr Gesicht im Auge, um einen Anhaltspunkt zu finden, aber sie verriet nichts.
    »Vielleicht ist Ihre Mandantin eine Ärztin?«, vermutete er.
    »Du meine Güte, natürlich!« Sie sah ihn mit funkelnden Augen an. »Der Kerl ist Akademiker, oder? Unterrichtet er vielleicht Englisch?«
    Nathan runzelte die Stirn. »Linguistik. Warum?«
    »Das ist ein Palindrom.«
    »Ein was?«
    »Ein Palindrom«, wiederholte sie und drehte dabei
das Blatt um, um es ihm zu zeigen. »Man kann es vorwärts wie rückwärts lesen und ergibt immer dasselbe. › Ha! Ras her, Reh Sarah!‹ Sehen Sie’s? Oder das hier: › Sei fein, Eve, nie fies!‹«
    »Verdammt, ja!«, stammelte Nathan, die Augen auf das Blatt geheftet. Plötzlich war alles so einfach. Doch wie oft hatte er diese Briefe schon gelesen, ohne dass ihm das aufgefallen war. Er richtete den Blick wieder auf Alex. »Wie sind Sie bloß darauf gekommen?«
    »Meine Eltern liebten Kreuzworträtsel.« Sie schmunzelte. »Wir mussten jeden Sonntag alle zusammen Scrabble spielen. Zeigen Sie mir noch eins.«
    Er reichte ihr ein anderes Blatt. Ihm war schwindlig. Zwar wusste er nun, was das für Briefe waren, aber was bedeuteten sie? Und warum hatte sie jemand kurz vor seinem Verschwinden an einen Polizisten im Morddezernat geschickt?
    »Manche haben etwas Dunkles und Bedrohliches, und viele spielen auf die Gerechtigkeit an«, stellte sie fest. »Die Waage ist ja ein Symbol dafür. Da, auf der Zeichnung.«
    »Das habe ich mir auch gedacht.«
    »Und was halten Sie von diesem › Sei fein, Eve, nie fies! ‹? Spricht er damit etwa Eve Caldwell an?«
    »Das könnte sein«, vermutete er. »Sogar ihr Name ist ja schon so ein Dings.«
    »Ein Palindrom. Tatsächlich, Sie haben recht!«
    »Hören Sie, Alex.« Er sah ihr ernst in die Augen. »Hier geht es um mehr als um Wortspiele. Wir haben drei Mordfälle, die möglicherweise miteinander verknüpft sind. Wenn Ihre Mandantin Sarah heißt oder
eine Ärztin ist, könnte sie in tödlicher Gefahr schweben.«
    Sie lehnte sich zurück und schob ihm die Blätter zu. »Sie heißt weder Sarah, noch ist sie irgendein Doktor.«
    »Sie ist auch nicht mit Eve verwandt?«
    »Nein.«
    »Sie müssen mir sagen -«
    »Ihr Name lautet Courtney Glass.«
    Natürlich, Courtney! Wenn er genauer nachdachte, konnte er es ihr nicht vorwerfen, dass sie sich selbst Hilfe besorgt hatte. Die Polizei half ihr jedenfalls nicht wirklich. Wenn es nach Webb ging, wäre sie sogar schon längst verhaftet. Und Cernak stand kurz davor, sie wegen des Mordes an Alvin anzuklagen. Er hatte die Tatwaffe und die Schmauchspur-Analyse, und dazu saßen ihm die Medien, sein Chef und die gesamte Anwaltschaft der Hotdog-Erbin im Nacken und verlangten eine Festnahme. Nathan wusste, dass es nur noch eine Frage der Zeit war, bis der Lieutenant diesem Druck nachgab.
    Es sei denn, er oder Hodges fänden einen anderen, besseren Verdächtigen.
    »Sie hat mir noch etwas anderes erzählt, das für Sie von Interesse sein könnte.« Alex sah auf die Uhr. »Das sage ich Ihnen noch, aber dann muss ich weg.«
    Nathan nickte.
    »Da gab es doch einen großen Prozess, an dem ihr Ex-Freund mitgewirkt hatte. Dieser David Alvin. Im Internet hat sie ein Video gefunden, auf dem zu sehen ist, wie Eve Caldwell und Pembry das Gerichtsgebäude verlassen, und zwar genau an dem Tag, an dem das
Verfahren beendet wurde. Sie glaubt, die ganze Sache hat was mit diesem Prozess zu tun.«
    Nathan verschlang jedes ihrer Worte. Es fiel ihm schwer zu glauben, dass diese Privatdetektivin vor ihm endlich Licht in das Dunkel dieses Falles brachte. Sie und eine Friseurin. Das war niederschmetternd.
    Wieder sah sie auf die Uhr. »Ich muss gehen. Ich habe noch etwas zu erledigen.«
    Sie erhob sich und zog ein Portemonnaie aus ihrer geräumigen Tasche. »Was bekommen Sie für das Bier?«
    Nathan schüttelte den Kopf und lachte. »Keinen einzigen Cent.«

Kapitel 16
    Courtney lag ganz ausgestreckt und mit geschlossenen Augen auf Wills Bett. Sie atmete ruhig, bis sie hörte, dass die Badezimmertür mit einem sanften Klicken zugezogen wurde und das Wasser mit leisem Rauschen zu fließen begann. Sie sprang aus dem Bett und zog

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