Der stumme Ruf der Nacht
anrufen und mitteilen, dass sie am Telefon sexuell belästigt wurde und deswegen eine neue Telefonnummer benötigte. So würde sie Courtneys Spur noch weiter verwischen. Wenn danach jemand, der sie suchte, ihre Telefondaten einsehen wollte, hätte er schon massive Probleme, überhaupt an die heranzukommen.
Das Auffinden von Personen war vor allem eine Frage der Mittel und von Zeit und Geld. Je mehr davon eine Suche beanspruchte, desto geringer waren die Erfolgsaussichten. Courtney zufolge hatten die Leute, die hinter ihr her waren, jede Menge Geld. Dennoch konnte Alex die Suche für sie zeitraubend und mühselig machen und so Courtney die Möglichkeit verschaffen unterzutauchen.
Alex widmete sich dem nächsten Punkt auf ihrer Liste: Courtneys Kabelfernsehanschluss.
»Hallo, hier spricht Courtney Glass. Ich ziehe um und möchte meinen Anschluss kündigen.«
»Rufen Sie von zu Hause aus an?«
»Nein.«
»Dann bräuchte ich bitte Ihre Sozialversicherungsnummer, damit ich an Ihre Daten kann.«
Diesmal gab Alex Courtneys wirkliche Nummer an und wartete, bis die Servicemitarbeiterin ihre Datei geöffnet hatte.
»Vielen Dank, Miss Glass. Wann sollen wir Ihren Anschluss abstellen?«
»Ich ziehe schon morgen um«, antwortete Alex. »Von daher so bald wie möglich.«
»Dann machen wir das doch gleich morgen. Ihr Konto ist aber noch mit zweiundachtzig Dollar fünfzig belastet. Wir bräuchten also noch eine Adresse, um die Rechnung zu schicken.«
»Klar«, sagte Alex und nannte ihr eine PostfachAdresse in Nashville.
»Kann ich sonst noch etwas für Sie tun?«
»Danke, das war alles.«
»Vielen Dank für Ihren Anruf, Miss Glass. Und viel Glück beim Umzug morgen.«
Alex telefonierte so lange, bis sie alle Serviceverträge von Courtney mit Unternehmen aus Austin ins Chaos gestürzt hatte. Manchmal änderte sie Courtneys Namen, so dass jeder, der sie suchte, verschiedene Decknamen überprüfen müsste. Manchmal kündigte sie Verträge aber auch ganz und gab nur das Postfach in Tennessee als neue Adresse an.
Als Nächstes rief Alex bei einigen Fluggesellschaften an und ließ die Bonusmeilen-Konten ändern. Damit gab es keine Aufzeichnungen über die Flüge mehr, auf denen Courtney Jane Glass in den vergangenen zehn
Jahren geflogen war. Wieder ein Hinweis weniger, falls sie jemand aufspüren wollte.
Als Letztes rief Alex die Website einer Wohnungsvermittlung in Nashville auf und stellte einen Suchauftrag ein. So würde die Firma anhand von Courtneys Sozialversicherungsnummer ihre Kreditwürdigkeit prüfen. Und damit könnte jeder, der sie verfolgte, erfahren, dass sie sich bei einem Makler in Nashville angemeldet hatte.
Das Telefon klingelte. Alex überprüfte die Nummer und stellte auf Lautsprecher.
»Lovell Solutions.«
»Alex, hier spricht Nathan Devereaux.« Schweigen. »Bin ich auf Lautsprecher?«
»Ja.« Alex tippte weiter. Nathan fluchte leise. Wie die meisten störte es ihn, über Lautsprecher zu telefonieren.
»Ich muss mit Courtney sprechen.«
»Warum rufen Sie dann mich an?«
»Seien Sie nicht witzig, Alex. Wo ist sie?«
Zusammen mit Courtneys Namen gab Alex eine ihrer vielen E-Mail-Adressen in das Kontakt-Feld der Website ein. Sie ging davon aus, dass spätestens in einer Stunde eine Maklerin bei ihr anrief.
»Ich weiß es nicht«, sagte sie geduldig. »Aber selbst wenn ich es wüsste, würde ich es Ihnen nicht verraten.«
»Sie haben ihr doch geholfen, aus der Stadt zu verschwinden, oder? Hören Sie, ich muss sie so schnell wie möglich finden. Die Polizei sucht sie.«
Alex dachte kurz über diese neue Entwicklung nach
und kam zu dem Schluss, dass er log. Bis in das kleinste Detail hatte sich alles, was Courtney erzählt hatte, als richtig erwiesen.
»Ich weiß nicht, wo sie ist«, sagte Alex noch einmal. Und im Grunde stimmte das sogar.
»Es ist ernst. Sie könnten Ihre Lizenz verlieren -«
»Wenn Sie Courtney sehen, sagen Sie ihr einen schönen Gruß. Ich muss aufhören.«
Alex legte auf und wählte Courtneys Nummer.
»Gibt es irgendwelche aktuellen Haftbefehle gegen dich?«
»Nein.«
»Gut. Ich wollt es nur wissen.« Alex verließ die Seite des Maklerbüros und klickte auf Greyhound.com . »Ich bin gleich fertig. Bei dir alles in Ordnung?«
»Ja.«
»Okay. Ich ruf dich in zehn Minuten wieder an.«
Courtney legte auf und sah durch die getönte Glasscheibe der Saftbar hinaus. Auf der morgendlichen Straße eilten Menschen vorbei – in ihren Autos oder zu Fuß mit dem Telefon in
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