Der stumme Tod
kümmerst.« Er machte eine Pause. »Ist womöglich ihr Frauchen, die wir da gefunden haben.«
»Mensch, der arme Hund.«
»Ich schaue, dass ich so schnell wie möglich wieder zu Hause bin.
Kannst auch bei mir schlafen.«
Kirie legte den Kopf schief, und Charly konnte nicht mehr Nein sagen.
Sie waren alle schon da, als Rath endlich am Antonplatz ankam. Der Wagen des Erkennungsdienstes parkte gleich hinter dem Mordauto, und der cremefarbene Horch, der als Letztes in der Reihe stand, sah aus wie der Wagen von Doktor Karthaus, dem jüngeren Kollegen von Doktor Schwartz. Kein Schupo bewachte den Haupteingang, der war ohnehin mit einem Rollgitter verrammelt. Das Kosmos war eines von mehreren Kinos in der Nähe des Antonplatzes, aber das einzige, dessen Neonlampen nicht mehr brannten.
Andreas Lange wartete unter den dunklen Buchstaben. Der Kriminalassistent wirkte wie jemand, der sich zum Kino verabredet hat und nicht einsehen will, dass man ihn versetzt hat, nicht einmal, als das Kino längst geschlossen hat.
»'n Abend, Herr Kommissar«, sagte er. »Wir müssen über den Hof rein.«
Einen Schupo trafen sie erst auf der Betontreppe, die zum Hintereingang des Kinos führte. Von der Straße aus war der Uniformierte nicht zu sehen, ein Metalltor schottete den Hof von der Außenwelt ab, alles sehr unauffällig.
Erst im Kinosaal wurde das ganze Ausmaß dieses Polizeieinsatzes offenbar. Überall liefen Erkennungsdienstler herum und suchten nach Spuren. Die Schupos vom 271. Revier, die die Leiche entdeckt hatten, standen nutzlos in der Gegend herum.
Diesmal lag sie wirklich auf der Bühne. Direkt vor der Leinwand, ein blonder Engel in einem weißsilbern glitzernden Abendkleid. Ein Blitzlicht flammte auf, und Rath erkannte Reinhold Gräf hinter der Kamera. Er winkte seinem alten Partner kurz zu. Bulldogge Böhm sprach gerade mit einem der Schupos und einem Zivilisten. Der Oberkommissar unterbrach sich kurz, als er Rath erblickte, schaute dann aber sofort wieder den Schupo an. Schien ihm gar nicht zu passen, dass aus der Fastré auch eine Kinoleiche geworden war. Und noch weniger passte es ihm wahrscheinlich, dass eine Fahndung, die er abgelehnt hatte, zu diesem Erfolg geführt hatte. Neben der Leiche stand der Gerichtsmediziner und wippte ungeduldig auf seinen Füßen.
»Wenn Sie keinen Ärger mit Böhm wollen«, meinte Rath zu Lange, »dann sagen Sie einfach, dass Sie mich gestern nicht mehr haben benachrichtigen können. Von meinem Telefonat mit der Fahndung wissen Sie nichts.«
»Ich hab Böhm die Wahrheit gesagt«, meinte Lange, »schließlich bin ich auch der Meinung, dass Sie gestern das Richtige veranlasst haben. Immerhin haben wir so die Leiche der Fastré gefunden.« »Nett von Ihnen, dass Sie zu mir halten. Steht denn inzwischen fest, dass sie es ist?«
»Wir haben zwar keine Papiere gefunden, und sie ist auch noch nicht offiziell identifiziert, aber eigentlich gibt es keinen Zweifel. Sieht aus wie auf ihren Plakaten.«
Rath trat näher heran und verstand, was Lange meinte. Jeanette Fastré wirkte überhaupt nicht wie eine Leiche. Ihr Gesicht war sorgfältig geschminkt, ihre Augen starrten an die Saaldecke, wirkten aber nicht wie tot, sondern eher wie hypnotisiert.
»Dann machen Sie mal Ihre Arbeit, Doktor«, sagte Böhm gerade zu Karthaus, der sofort mit Wippen aufhörte. »Wir haben so weit alle Fotos im Kasten.«
»Guten Abend, die Herren«, sagte Rath wohlerzogen, doch Böhm ignorierte ihn.
»'n Abend, Rath«, meinte Karthaus. »Macht die Inspektion A heute ihren Betriebsausflug? So viel Ernst hatten wir ja schon ewig nicht mehr an einem Tatort.«
Der Gerichtsmediziner machte keine Anstalten, sein Rätsel aufzulösen, er hockte sich neben die Leiche. Was er gemeint hatte, wurde klar, als eine imposante Gestalt aus dem Dunkel des Kinosaals trat und die Stufen zur Bühne erklomm.
Ernst Gennat!
Gräf hatte recht behalten: Der Buddha war tatsächlich wieder zurück. Und sogar mit rausgefahren, was nur noch alle Jubeljahre einmal vorkam.
»Herr Kommissar«, sagte Gennat, als er Rath erblickte, »wurde aber auch Zeit. Ihnen haben wir diesen Fund doch zu verdanken, wie ich höre.«
»Die Fahndung hat gute Arbeit geleistet, würde ich sagen, Herr Kriminalrat. «
»Schöner Mist«, sagte Gennat, »nun haben wir also tatsächlich einen Serienmörder in der Stadt, ob es uns nun passt oder nicht. Die strikte Informationssperre, die der Kollege Böhm verhängt hat, gilt vorerst weiter. Solange wir nicht im
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